Nepal

Damals bei K.C.
K.C. hinter der Bar

… war mal ein ganz tolles Land, als dort noch der König Birendra herrschte. Ein Paradies für Hippies, Bergsteiger, Freaks, Drogenabhängige und wen auch immer. Die legendäre Freak Street mit den Hippie-Absteigen, der Hanuman Dhoka mit all den Tempeln und der Kumari, der lebenden Göttin. Und die ganze Altstadt von Kathmandu, einmalig! Nur Bhaktapur war noch schöner, aber da war nicht so viel los. Eher ein Museum als eine Stadt. In der Umgebung gab es die tollsten Tempel: Die buddhistischen Stupas Swayambunath (der mit den lästigen Affen) und Bodnath, den Hindutempel Pashupatinath, den Kali-Tempel, wo die Tiere am Fließband abgeschlachtet wurden – einfach super! Man kam sich vor wie in einem riesigen, lebendigen Museum. Die Leute lebten in uralten Häusern, die echt stark aussahen. Wohnen mochte man selbst wohl nicht darin. …

Als ich 1977 das erste Mal mit meinem Freund Uwe dort war, wohnten wir nicht in der Freak Street, sondern in Thamel. Der Stadtteil entwickelte sich gerade zu einem Travellerschwerpunkt. Und ist es bis heute geblieben. Damals hatte dort gerade ein neues Restaurant aufgemacht: K.C.’s Restaurant and Bambooze Bar. Der Treffpunkt der Travellerszene. Die berühmte Reisebuchautorin Ludmilla Tüting hatte jedoch ihre Vorbehalte gegen ihn. K.C. Kaputt sah aus wie ein nepalesischer Hippie (die Ludmilla überhaupt nicht leiden konnte) und da hilft es ihm weder, dass er mal in Hamburg war und ein bisschen Deutsch spricht, noch dass er seine Speisekarte mit bunter Kreide auf eine schwarze Tafel schreibt, verziert von allerlei kunstvollen Blumenmustern und lustigen Bemerkungen. Vielleicht war Ludmilla auch sauer, weil K.C. die Travellerinnen reihenweise flachlegte, sie selbst jedoch verschmähte. Noch mehr als vor K.C. warnte sie jedoch vor den Restaurants, die Getränke oder Essen mit dem Zusatz ‚special’ anbieten, wie z. B. ‚Ovomaltine special’ im Monk’s Pleasure Room Restaurant. Sie warnte: ‚Diese Getränke sind mit einer deftigen Portion Hasch versetzt. Wer’s nicht gewohnt ist, kippt unter Garantie um. Ich habe erlebt, wie ein Mädchen, das nicht gewarnt worden war, nach zehn Minuten bewusstlos zusammenbrach und anschließend drei Tage krank war.’    

Swayambunath 1979
Freak Street 1979
Stadttor in Kathmandu
Der beschwerliche Weg nach Swayambunath
Kal Bhairab
Die Killer-Zwergin meines Traumes

Mir und meinem Kumpel Uwe ging es dort übrigens auch nicht besser. Doch vermutlich war daran nicht Hasch schuld, sondern die Tollkirsche. Der wir einen zweitägigen, aufregenden Trip in Kathmandu und Benares verdankten … Und das kam so: Wir hatten wieder jede Menge Zeugs in Kathmandu eingekauft. Die nächste Station hieß Benares/Indien. Am Abend feierten wir unsere erfolgreichen Einkäufe im besagten Monk’s Pleasure Room. Als wir uns ziemlich stoned auf den Heimweg begaben, bot uns vor der Tür ein alter Mann ‚super special Haschbonbons’ zu einem ausgesprochen günstigen Preis an. Die nahmen wir ihm gern ab und warfen gleich jeweils einem zum Testen ein. Das hätten wir besser nicht getan! Die Dinger entfalteten sofort ihre teuflische Wirkung. Wir bekamen einen tierischen Durst, sodass wir nur hundert Meter vom Hotel entfernt noch einmal einkehrten. Wir waren völlig desorientiert und fanden nur mit Mühe in unser nahe gelegenes Domizil. Ein paar Bekannte nahmen uns in ihre Obhut: Wir redeten nur wirres Zeug, wie sie uns am nächsten Morgen sagten. Sie hegten den Verdacht, dass die Bonbons mit Tollkirschen versetzt waren, die uns echt umhauten. Sie brachten uns ins Bett und erinnerten uns eindringlich daran, dass wir morgen früh zum Airport müssten, um unseren Flug nach Benares zu erreichen. Ich schlief sehr unruhig in meinem rot-blauen Schlafsack und hatte einen Albtraum, in dem eine Zwergin versuchte, mich umzubringen. Am Morgen wurde mir klar, dass es die Killer-Zwergin aus dem Film ‚Wenn die Gondeln Trauer tragen‘ war … Uwe war verschwunden. Helle Panik bei mir und den anderen. Ich hing noch immer völlig durch und sie machten sich auf die Suche nach ihm. Bei der Polizei wurden sie fündig. Er wurde gerade wegen Diebstahls eines Fahrrads vernommen. Allerdings war er der Meinung, dass dieses Fahrrad ihm gehöre, und protestierte lautstark gegen die ‚Unterstellungen’ der Bullen, die langsam die Geduld mit diesem komischen Ausländer verloren. Die Kumpels gaben den Bullen ein paar Rupees und zogen den widerstrebenden Uwe aus der Schusslinie. Dann brachten sie ihn eilends ins Hotel. Gerade noch so rechtzeitig, dass wir es zum Flughafen schaffen konnten! Bei der Immigration suchte er vergebens seinen Pass. Wir stellten das gesamte Gepäck auf den Kopf, aber das Ding blieb verschwunden. Er konnte nicht mitfliegen, sondern musste sich erst mal neue Papiere besorgen. Also Alleingang!

Als ich während des Fluges mal einen Blick auf meine Armbanduhr warf (damals waren gerade diese Digitaluhren mit den roten Leuchtziffern en vogue), dachte ich, mich trifft der Blitz: Ein irrsinnig intensives rotes Licht schoss aus der unscheinbaren Uhr! Ich war also immer noch drauf.

Glücklicherweise erwarteten mich unser Lieferant Lal Babbu und ein Begleiter am Airport. Er brachte mich ins Hotel und sagte „Bye bye, see you tomorrow!!”. Sein Kumpel hatte geschnallt, dass etwas mit mir nicht stimmte. Er sah mich mit durchdringendem Blick an und sagte beschwörend zu mir: „You need morphium!“. „What? Are you nuts? Fuck off!“ motzte ich ihn an und er verzog sich schmollend. Schöne Freunde, die einem gleich Morphium verkaufen wollen. Da war mir allerdings noch nicht klar, dass unser unscheinbarer Lieferant ein Pusher war. Auf dem Bett sitzend sortierte ich meine Siebensachen: Travellerschecks, Bargeld, zwei Pässe – alles da. Ein Glück! Zwei Pässe?!? Tatsächlich! Oh heilige Scheiße! Wir hatten überall gesucht – nur auf den Brustbeutel waren wir nicht gekommen! Ich rief sofort Lal Babbu an und bat ihn, mir einen Flug auf der nächsten Maschine nach Kathmandu zu buchen. Leider gab es an dem Tag keinen Flug mehr. Nachdem ich eine Nacht drüber geschlafen hatte, kam mir die Idee, Uwes’ Pass am Airport einem zuverlässigen Reisenden mitzugeben, der ihn an den Eigentümer weiterleiten sollte. Ich wurde bald fündig: Ein junger deutscher Reiseleiter mit seiner Gruppe, der nach Kathmandu fliegen wollte, hörte sich die Geschichte zuerst skeptisch an. Da er nichts zu befürchten hatte, versprach er schließlich, meinem Gefährten den Pass zukommen zu lassen. Er wohne mit der Gruppe im Hotel Yak & Yeti, dort solle der ihn abholen. Ich bedankte mich herzlichst und legte dreihundert Dollar dazu, damit Uwe sich ggfs. einen Flug kaufen konnte. Dann gelang es mir tatsächlich, den Vermissten telefonisch zu erreichen und ihm die gute Nachricht zukommen zu lassen. Als er im Hotel ankam, war der Reiseleiter schon auf der Tour. Er hatte den Pass nebst Geld an der Rezeption hinterlegt. So bekam mein Freund zwar den Pass, aber die dreihundert Dollar waren verschwunden. In einer – für dortige Verhältnisse – Luxusabsteige! Wahrscheinlich Service Charge!

Bei KC Kaputt - 40 Jahre später ...

Revisited: Kathmandu

Auch in der Haupstadt Nepals war ich seit dem ersten Besuch im Jahre 1977 öfter gewesen, das letzte Mal in den 90ern. In Kathmandu speziell und Nepal allgemein hatte sich nach meinem letzten Besuch viel getan: Als ich 2017 während eines Stopovers auf dem Flug nach Bhutan dort war, hatte das Erdbeben von 2015 viele Gebäude in der Altstadt zerstört. Das Königreich war eine Republik geworden, nachdem der verwirrte Kronprinz fast die gesamte königliche Familie ausgelöscht hatte. Die Luftverschmutzung im Kathmandutal war fast unerträglich geworden, denn die Bevölkerung dort hatte sich seit den 70er Jahren verfünffacht, die Zahl der Autos vermutlich verzehnfacht! Angeblich zählt die Stadt heute zu den drei am stärksten verschmutzten Hauptstädten der Welt – dicke Luft im ‚Freilichtmuseum’! Trotz der Zerstörungen im Zentrum der Stadt war vielerorts immer noch die alte Atmosphäre zu spüren. Noch besser in Pathan, der Nachbarstadt. Im Stadtteil Thamel, dem ‚Backpackerparadies’ der 60er und 70er, war so viel gebaut worden, dass selbst ich alter Hase mich kaum noch zurechtfand. Die ‚berühmte’ Freak Street unseligen Angedenkens hatte mittlerweile musealen Charakter angenommen. Inzwischen wurde an allen Sehenswürdigkeiten Eintrittsgeld erhoben, sei es nun Pashupathinath, Swayambunath, Bodnath oder die Altstadtbereiche von Kathmandu und Pathan.

Bodnath Stupa, Kathmandu