Filmlocation Neue Hochstraße ...

Neue Hoch/Ecke Liesenstraße mit Café Achteck
Götz George springt dem Tod noch mal von der Schippe

In Berlin war ich ein echter Movie-Buff, ging regelmäßig ins Kino. Doch dass ich selbst mal mitten in der Glitzerwelt des Films leben würde, hätte ich nicht gedacht. Und das kam so: Meine langjährige Behausung, die Ladenwohnung in der Neuen Hochstraße, lag in einer trostlosen, deprimierenden Gegend, nicht weit von der Mauer. Überraschenderweise avancierte sie plötzlich zur angesagten Filmkulisse. So weit ich mich erinnere, begann es mit dem Fernsehfilm Tatort – Das Rattennest. Was für ein Titel, eine Schande für unseren Kiez! Eine Nachbarin in der Nr. 44 vermietete ihre Obdach für einen Monat ans Fernsehen und bekam jede Menge Kohle dafür. Während der Dreharbeiten lebte sie angeblich in einem Luxushotel. Einerseits bedauerten wir sie alle wegen ihrer Wohnung, die offenbar so schlimm wie ein Rattenloch aussah. Andererseits waren alle Nachbarn neidisch: Die Kohle hätten sie auch gut gebrauchen können! Da der Film in ‚meiner’ Straße spielte, guckte ich mir ausnahmsweise den Tatort an. Die Bude sah in der Tat schlimm aus. Am nachdrücklichsten blieb mir im Gedächtnis, dass der Hauptdarsteller Götz George sich vor Angst in die Hosen schiss, als er auf der Müllkippe im Närrischen Viertel Opfer einer Scheinhinrichtung wurde.

Jahre später kam ich eines Abends nach Hause und rieb mir verwundert die Augen: Die Straße stand voll mit Autos der Nationalen Volksarmee (NVA), der Ostzonenarmee. Dazu ein paar russische LKWs. Der erste Gedanke: „Scheiße, jetzt haben die Russen Westberlin besetzt und du hast das gar nicht mitgekriegt – ab jetzt bist du ein Zoni!“. Zum Glück war es jedoch nur die Vorhut eines Filmteams, einen kompletten Original-Grenzübergang aufbaute, Kulisse für den Müller-Westernhagen-Film Der Mann auf der Mauer. Nicht viel später sah ich Marius höchstpersönlich auf der Kulissen-Mauer herumspazieren.

Doch das war noch nicht alles: Ende der 70er wurde quer über die Straße eine Nachbildung der Schandmauer gezogen. Genau vor unserem Haus. Direkt davor wurde ein zweistöckiger LKW-Transporter abgestellt. Und dann kam’s: Ein roter Porsche nahm Anlauf ab Gerichtstraße, fuhr volle Granate auf den Autotransporter – und flog über die Mauer! Die Szene wurde mehrmals gedreht, bevor sie endlich im Kasten war. Es war der Film ‚The Soldier‘ von 1982! In unserem Kiez! Aufregend! Wir hingen den ganzen Nachmittag am Fenster. Das Filmteam hatte an alles gedacht. Nur nicht an eine rote Fahne, mit der man den Verkehr an der Schulzendorfer Straße zeitweilig stoppen konnte.

Der Regisseur war ganz aus dem Häuschen: „Wo um Himmels willen kriegen wir jetzt eine rote Fahne her?“. Dem Manne konnte geholfen werden! Wir boten generös unsere Firmenfahne an, die von einem nepalesischen Schneider genähte rote Brufelwolf-Fahne. Sie zeigte einen etwas verunglückten Wolf, der eher aussah wie ein Schaf und den Vollmond anheulte. Und was passierte? Just in dem Moment als unser Banner entrollt wurde, kam ein Idiot mit einer ‚richtigen’ roten Fahne an. Unsere wurde mit Dank zurückgegeben. So verpassten wir eine einmalige Publicity-Chance: Unsere Firma im Kino, womöglich im Fernsehen! Mist!