Damals im Stadtbad ...

Das Stadtbad in der Baerwaldstraße, Kreuzberg (Foto: Brigitte Schulz)

Stadtbad – heute weiß mancher gar nicht mehr, was das überhaupt war. Oder ist. Bis zur großen Sanierungswelle in den Arbeiterbezirken hatten sehr viele Wohnungen gar keine Innentoilette. Ganz zu schweigen von einem Bad. So waren die Bewohner dieser Bruchbuden darauf angewiesen, ihre wöchentliche ‚Grundreinigung’ außerhalb der eigenen vier Wände vorzunehmen. Dazu bot sich für uns das Stadtbad Kreuzberg in der Baerwaldstraße an. Es gab aber auch noch andere Bäder in Kreuzberg. ‚Unser‘ Bad verfügte nicht nur über zwei Schwimmhallen, sondern auch über eine Duschabteilung und eine Wannenabteilung. Bis zum Umzug in den Wedding war ich dort Stammgast, anfangs in der Duschabteilung. Man konnte für 50 Pfg. zwanzig Minuten lang duschen – inklusive Umkleiden! Seife und Shampoo konnte man im Automaten ziehen. Am Samstagnachmittag standen die Badelustigen manchmal bis auf die Straße! Es war wie bei uns daheim an der Nordseeküste in den Fünfzigern, wo man auch nur einmal die Woche badete. Es gab mindestens zwanzig Duschen, aber nur vier Haartrockner – stell dir das im Winter vor! Da konnte man noch länger warten als auf das Duschen. Man wollte sich ja nicht verkühlen.

Irgendwann war es endlich so weit. Der Badegast wurde von einem schwitzenden weißhaarigen Mann im Unterhemd und kurzer grauer Hose zu einer der Duschkabinen geführt. Der schob einen da rein und schrieb auf die Tür mit Kreide die Zeit, zu der man wieder draußen sein musste. Fünf Minuten vor Ablauf der Zeit klopfte er lautstark an die Tür! Dann musste man raus – sonst hieß es nachzahlen! Und wer wollte schon 50 Pfg. für fünf Minuten bezahlen? Nach jedem Kunden wurde die Dusche kurz ausgewischt und schon kam der Nächste dran. Später kamen wir auf den Trichter, die Wannenabteilung zu benutzen. Die kostete zwar eine Mark, aber dafür durfte man auch eine halbe Stunde bleiben. Und musste selten anstehen – war vielen offenbar zu teuer! Dort war alles eine Spur vornehmer. Auch die Mitarbeiter des Bäderamtes Kreuzberges sahen verglichen mit dem armen Schwein in der Duschabteilung richtig adrett aus. Man bekam sogar Handtücher dazu! Einmal wurde ich Zeuge, wie ein betrunkener Maurer im Unterhemd mit dem Bademeister in Streit geriet. Wütend zerriss er ein Badehandtuch – Bezirkseigentum! Und der bodybuilding-aufgeblasene Angestellte war ganz kleinlaut: Das waren echte Muckis bei dem Maurer, keine antrainierten …

Zu guter Letzt kamen wir auf die Idee, in die Schwimmhalle zu gehen: Kostete auch nur eine Mark und man hatte unbegrenzt Zeit. Irgendwie clever! Die Große Schwimmhalle war profan, aber manchmal – wenn es nicht so voll war – wurde die alte Kleine Schwimmhalle geöffnet. Die war offenbar in der Kaiserzeit entstanden. Wir kamen uns vor wie in den Thermen des Caracalla!

Nach dem Umzug auf den Wedding ging ich ins Stadtbad in der Gerichtstraße. Dieser sterile neue Bau hielt jedoch keinerlei Vergleich mit dem Bad in der Baerwaldstraße aus. Immerhin gab es ein schickes Restaurant, in dem eine ganz passable Erdbeermilch serviert wurde. Das Stadtbad ging gar in die Literatur ein. Eines Tages fanden spielende Kinder in der Nähe eine menschliche Hand, die offensichtlich einem Schwarzen gehört hatte. Die Polizei grub daraufhin das gesamte Areal zwischen dem Stadtbad und der nahe gelegenen Panke um. Nach und nach kam das Opfer fast komplett zum Vorschein. Es war – wie sich später herausstellte – wegen einer Eifersuchtsaffäre von einem Landsmann umgebracht worden. Nur der Kopf blieb verschwunden! (Nigel/Winz‚ Tod in Berlin’, S. 173). 

 
 
Das alte Stadtbad in der Baerwaldstraße (Grundriss)
Die Thermen des Caracalla in Kreuzberg