Kurt Krüger-Lorenzen, 1904-1971

Auch genannt KrüLo, gebürtiger W’havener und erster Fernsehreporter der Welt, wenn man denn dem Wilhelmshavener Heimatlexikon Glauben schenken darf – und wer täte das nicht? Seine Bücher haben mein Leben hohem Maße bereichert. Der vom HEYNE-Verlag veröffentlichte Bestseller Deutsche Redensarten und was dahintersteckt, vereint seine Werke Das geht auf keine Kuhhaut, Aus der Pistole geschossen sowie Der lachende Dritte und wird von mir immer wieder gern zur Hand genommen – wirklich große Klasse! Nee, wirklich! Zumal Bezüge sowohl zu unserer Stadt als auch zu Berlin enthalten sind: Ein Brief in Marinedeutsch von einem Erwin an einen gewissen Jörn sowie ein Kapitel über Berliner Mundart (‚Ick bin

jerührt wie Appelmus‘) und das komplette Gedicht ‚Dunkel war’s, der Mond schien helle …‘. Nicht unähnlich seinem Landsmann, dem Verfasser dieser Chronik, aber natürlich Jahrzehnte früher wanderte er in jungen Jahren in die Reichshauptstadt aus und landete später in exotischen Gefilden: Allerdings nicht in Südostasien, wie unser Held, sondern in Afrika, wo er dem Negus Haile Selassie als Ratgeber diente. Im Gegensatz zu mir, der in der Wahlheimat Burma den Titel Edler Hüne trägt, wird diese Ehre K. kaum zuteil geworden sein. Denn der ebenso kleine wie umtriebige Exil-Schlicktauer wurde selbst vom japanischen Kronprinzen, dem Herrn Akihito, überragt.

Krü-Lo küsst Kaiserin Soraya die Hand ...

Seine Selbsteinschätzung hingegen stand in diametralem  Verhältnis zu seiner Statur, was ihm sicher keiner verdenken wird: Kleiner Mann ganz groß! Wer kann schon von sich behaupten, Soraya die Hand geküsst zu haben? Wer kannte den Schah von Persien so wie K.? Was für ein netter Kerl der Herr Reza Pahlevi in Wirklichkeit war! Warf aus dem Fenster des Hotels ‚Vier Jahreszeiten‘ Blumen auf die unten versammelten Hamburger! Oder wer hätte schon mit Albert Schweitzer und Graf Bernadotte geplaudert? Hitler lachen sehen? Wem fasste gar das Stimmwunder Yma Sumac, eine ‚Nachfahrin des Aztekenkaisers Montezuma‘ – nein, nicht in die Hose! – ans Mikrofon? Nur K.! Doch hier irrt der prominente Schlicktauer: Frau Sumac war eine Nachfahrin des letzten Inkakönigs Atahualpa, nicht Montezumas. Ist wahrscheinlich sowieso egal, denn die Geschichte stimmt eh nicht. Allerdings gibt es zu denken, dass K., der nicht viel größer als ein Gartenzwerg war, seine Lebensbeichte unter das Motto: ‚Den Gartenzwergen mitten ins Herz!‘ stellt. Wer kann schon sagen, was ganz tief drinnen in dem kleinen Mann vorging …? Krü-Lo verstarb 1971 auf tragische Weise in seinem Garten, als er beim Erdbeerpflücken von der Leiter fiel. R.I.P., Krülo!

Seiner Lebensbeichte Kurze Welle gegen Langeweile verdanke ich tiefe Einblicke ins Wesen der Afrikaner! So berichtete K. von einem Besuch bei den ‚Hohner-Werken in Trossingen, dem Weltzentrum des Mundharmonika- und Akkordeonbaus‘. Dort   vertraute ihm Matthias Hohner höchstpersönlich Folgendes an: „Ich darf Ihnen sogar verraten, dass wir für einen Teil der Ausfuhr nach Afrika die Mundharmonika mit Ketten versehen, damit sie die Neger im Busch um den Hals hängen können, da sie ja keine Taschen haben.“. Wie überrascht war K. dann später, als er „… im Inneren Afrikas eine ganze Reihe unzivilisierter Schwarzer mit einer Kette um den Hals traf, an der dies kleine Instrument aus Trossingen hing, was eines meiner Bilder in diesem Buch auch beweist!“. Oder kennen Sie das ‚afrikanische Zebraspiel‘? K. berichtet aus Leopoldville, der Hauptstadt von Belgisch-Kongo: ‚Es spricht für die Unverdorbenheit dieser Menschen, dass Kapitalverbrechen selten vorkommen. Ein paar gelegentliche Diebstähle sorgen dafür, dass das merkwürdigste Gefängnis, das ich je sah, auch Insassen bekommt. Wir fuhren nämlich an einem Platz vorbei, auf dem, wie ich meinte, Eingeborene in kleidsamen Jerseys Sport trieben. Diese ‚Jerseys‘ mit kurzen Hosen hatten schwarz-weiße Streifen, ein Muster, das in unserem Europa der Lager und Gefängnisse leider seit vielen Jahren in Mode ist. Es waren aber keine Sportler, die ich dort beobachtete, sondern Gefangene, die sich in ihrer Rolle außerordentlich wohl zu fühlen schienen. Sie nennen die Strafhaft nämlich der Kleidung wegen ‚Zebraspiel‘; und da man hinter diesen Zäunen nicht zu arbeiten braucht, finden sie das Gefängnis anziehend und erholsam, zumal obendrein die Verpflegung kostenlos zugeteilt wird. Oft müssen sie aus dem Gefängnis mit Zwang wieder entlassen werden. Dann sind sie traurig und begehen schnell wieder eine kleine Untat, um wieder hineinzukommen.‘ Ähnliches weiß auch A. E. Johann über die unverdorbenen Naturkinder zu berichten: So also war der Schwarze, bevor man ihn unbarmherzig in die Unabhängigkeit stieß!

Der Neger mit der Mundharmonika spielt von dem, was einst geschah (Bernd Clüver)