Unterwegs mit dem Kreidler-Klub Wilhelmshaven, Teil 2

Benny Quick auf Kreidler Florett

‚Brmmmbabababa-ba-ba-ba, Brmmmbabababa-ba-ba-ba, ba-ba-ba-ba,

babababa, ba-ba-ba-ba, babababa, oh, oh, Motorbiene!‘ (Benny Quick: Motorbiene).

Das Moped war wichtigstes Fortbewegungsmittel  der selbst ernannten Rocker der Jadestadt. Wer auch nur einen Funken Anstand im Leibe hatte, fuhr eine Kreidler Florett. Da die Maschine so populär war, bildete sich nach treudeutscher Art ein Klub, genannt K. K. Wohl jeder, der die Maschine fuhr, wollte Mitglied werden. Nachdem die Gesinnung des Aspiranten einer sorgfältigen Prüfung unterzogen worden war, konnte er sich stolz die Klubnadel an die Lederjacke haften. Der nähmaschinenartige Sound der Maschinen, zumal wenn es sich um eine ganze Rotte von Mopeds handelte, kündete für Exis und brave Jugendliche in der Regel herannahenden Ärger an. Für den SJB (siehe dort) war er ein Fanal, das seinen endgültigen Untergang einleitete. Etlichen Klubmitgliedern war die werkseitig vorgesehene Beschränkung der Geschwindigkeit ihres Hobels (80 km/h?) ein Dorn im Auge. Sie bastelten so lange, bis sie die Maschine auf über 100 km/h hochgezüchtet hatten. Der Konsequenteste unter ihnen war mein kleiner Bruder: Er fuhr die legendäre, stark frisierte Nr. 1 mit Rennverkleidung und verchromtem Auspuff. Zusammen mit seinem Kumpel Schorsch Riedel zweckentfremdete er den Backofen unserer Familie: Was darin passierte (ich glaube Balsaholz war auch im Spiel …), weiß ich bis heute nicht. Jedenfalls wurde das Ziel erreicht und wieder 2 km/h mehr rausgekitzelt.

Wenn ich dem Treiben auch verständnislos gegenüberstand, hatte die Mitgliedschaft meines Bruders im K. K. doch gewisse Vorteile für mich. So, als ich eines Samstags mit Trenchcoat, Gamaschen, Stockschirm und einer Holzente im Schlepptau nichts ahnend dem Rathausplatz zustrebte. Als ich beim Finanzamt um die Ecke bog, blieb mir fast das Herz stehen: Dort  war eine riesige Rockermeute versammelt! Bei meinem Anblick wurde es augenblicklich still auf dem Rathausplatz und ich sah mich im Geiste schon

auf dem Weg ins St. Willehad-Hospital. Ein paar üble Typen kamen auf mich zu und begannen sich über mich lustig zu machen: Sie traten gegen meinen kleinen Liebling und nahmen mir den Schirm weg. Doch dann kam die Rettung! Einer sagte: „Hey, das ist doch der bekloppte Bruder von Rudi. Lasst den in Ruhe, der kann nix dafür!“. Und so kam ich davon … Ich war unversehens in die Vorbereitungen zu einem Motorradausflug geraten.

Rudi macht Spaß und Jutta freut sich
Pinkelpause
Der Wilde
Ganter mit Sonnenbrille

Musikalisch gesehen standen die K. K.-Rocker den Teddyboys nahe: Nur der ganz authentische Rock ‘n’ Roll zählte, alles andere galt als Abweichung. Und Born to be wild natürlich! Während eines Ausflugs nach Bremen hatte der Musikwart des Klubs die Plattensammlung vergessen, und  nur ein einziger Song war verfügbar: Master Jack von Four Jacks & A Jill – nicht gerade das, was man sich unter Rock ‘n’ Roll vorstellt. Aber irgendwie wuchs das Liedchen den hart gesottenen Mopedfans ans Herz und avancierte zur heimlichen Klubhymne. In der Klubgeschichte war jene Zeit, in der Tunte die Präsidentschaft innehatte, sicherlich der Höhepunkt. Er war der Intellektuelle unter den Mitgliedern, denn er besuchte (ebenso wie ich) die Freiherr-vom-Stein, was ihn zum Vorsitzenden prädestinierte. Im Gegensatz zu den eher simplen handfesten Vereinsgenossen (Schlosser, Schmiede, Kfz-Mechaniker usw.) war er nur begrenzt gewalttätig veranlagt, was ihm seinen anerkennenden Beinamen eingebracht hatte. Als Zeichen des Protests gegen die verständnislose Erwachsenenwelt trug er sein Haar etwas länger. Treffpunkt der Rocker war die Kneipe Heimliche Liebe in der Bismarckstraße.

Unsterblichen Ruhm gewann Tunte, als es beim Betriebsausflug des K. K. zum Grand Prix in Assen (Holland) zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Die holländischen Gesetzeshüter griffen beherzt zu, und ehe sich die Rocker versahen, lagen einige von ihnen, darunter auch ihr Vorsitzender, neben ihren ‚Brummfietsen’ auf dem Boden. Wo ihnen die Holländer eine ordentliche Abreibung per Gummiknüppel verabreichten. Der von Panik ergriffene Präsident hob schützend die Arme über den Kopf und kreischte: ‚Bitte nicht schlagen, ich bin deutscher Motorradfahrer!’, woraufhin die Holländer noch kräftiger draufschlugen. Sein Vereinskollege Otto Strecker hatte den Zwischenfall mitbekommen und berichtete den anderen Klubmitgliedern empört davon. Zur Strafe wurde er bei der nächsten Generalversammlung wegen Feigheit vor dem Feind als Vorsitzender abgewählt. Dieser Karriereknick vermochte den umtriebigen R. jedoch nicht zu entmutigen – nur wenig später wurde er zum Vorsitzenden des Kaninchenzüchterklubs ‚Jaderammler‘ gewählt.

Heavy metal thunder!
Das waren noch Zeiten!!!