Sex-Schocks in Wilhelmshaven
Das BLUE CITY war ein von Legenden umwobenes Etablissement in der westlichen Marktstraße (nicht weit vom Idioten-Dreieck). Hier gab es professionelle Sexshows mit Stripperinnen, Cola-Gedeck für Dreifuffzich aber auch grotesk überteuerten Nuttendiesel und andere gefährliche Sachen, die einen nichtsahnenden Besucher aus Wittmund oder Auerk glatt ruinieren konnten – von Seeleuten mal ganz abgesehen … Der Laden nannte sich Nightclub, manchmal aber auch ‚Blue City Cabaret International‘, und international ging es wirklich zu, wie die Flugblätter von damals, die Großes versprachen, noch heute beweisen: Sie sparen eine Reise nach Paris! Sex-Schocks! Die große Nacktschau! Erotic bis an die Grenzen des Erlaubten! Die schärfste Sex-Erotic-Show Deutschlands! … täglich ein reichhaltiges Programm zu soliden Preisen. Sie brauchen Nerven wie Stacheldraht: Spannung, Sex und Nervenkitzel! und noch viel mehr versprach Frau Wanda Lange den Gästen.
Der vermutlich größte Sex-Schock schlechthin für die Gäste war jedoch, wenn der Conférencier Ole sich auszog. Er kletterte – nur mit einem Slip im Leopardendesign bekleidet – auf die Bühne. Dort legte er die letzten Hüllen und Hemmungen ab und schritt zur Tat. Ole durfte das, weil er schon über 21 war. Mann, wie haben wir ihn alle beneidet. Und die Frauen bedauert …
Da konnten Cafe Klindworth, Sansi Bar, Erotica, Lido-Film-Bar, Tropicana und Mariensieler Hof nicht mithalten. Selbst der Dicke Hans von der Oase musste neidlos zugeben, dass seine Filmvorführungen gegen das wahre Leben im B. C. verblassten. Die Boyfriend Tages-Bar kenne ich leider nicht. Sollten dort etwa schon damals homoerotische Filme gezeigt worden sein? Oder Schlimmeres?
Stolz präsentierte das B. C. die ‚Black & White Show’ mit dem Schwarzen Samuel, der es seiner völlig begeisterten Partnerin Sissy mit einem Teddybären besorgte! Da musste selbst das Sex-Duo Britta und Eric passen … Laila Delion trat als strenge Zuchtmeisterin mit Zylinderhut und Peitsche auf. Chapeau! Auch die Türkin Nariman warf alle muslimischen Hemmungen über Bord und Monique aus Frankreich bestätigte nur, was man ohnehin schon über Französinnen wusste! Daneben rissen auch Cora Castell und Lola La Grande (wahrer Name vermutlich Erna Schulze) die Schlicktauer zu wahren Begeisterungsstürmen hin, ebenso wie die Darsteller einer Sado-Maso-Nummer mit Lederslips, Masken, Ketten und Peitschen. Die ‚Indische Schlangentänzerin Isra mit ihren Riesenreptilien’ bleibt allen unvergesslich, die ihren Auftritt erlebt haben: Gigantische Pythons wanden sich an den Schenkeln der leichtbekleideten Dame hoch und legten sich um ihren schlanken Hals. Alle – sogar Ole – hielten den Atem an, aber Frau Isra blieb cool! Gerüchteweise stand die Dame samt ihren Riesenreptilien zahlungskräftigen Kunden auch für Sondervorführungen zur Verfügung, getreu ihrem Motto: ‚Isra, die geile Schlange, sie kann es so gut, sie kann es so lange!’
Der gute Ruf des B. C. lockte sogar zwei persische Bauchtänzerinnen an, die sich unsterblichen Ruhm erwarben: Sie sorgten für den ersten Flugzeugabsturz nach dem Kriege in unserer Stadt. Und das kam so: Als die gutverdienenden Orientalinnen mit dem eigenen Kleinflugzeug den Flughafen Mariensiel ansteuerten, verfehlten sie ihn wegen Bodennebels. Sie irrten im Luftraum der Jadestadt umher, bis ihnen schließlich der Sprit ausging und sie auf einen Acker krachten, wobei sie etliche Blessuren erlitten, die sie im Willehad auskurierten. Die Rache Allahs!
Die Stripperinnen und Profibumser kamen und gingen, einer aber blieb: Starconférencier Ole in seiner hellblauen Schalkragenjacke mit schwarzen Samtaufschlägen, die er schon im Marabu getragen hatte. Wie oben beschrieben, half er selbst gelegentlich bei den Shows aus. Aber er war nicht der Einzige! Etliche erfahrene Altersgenossen, die schon einmal dort gewesen waren, wussten die unglaublichsten Sachen zu berichten. Sie hätten bei einer Badeshow umsonst (oder gratis?) mit einer nackten Animierdame in die Wanne steigen dürfen, mit der sie ES richtig auf der Bühne gemacht hätten! Einerseits waren wir natürlich neidisch, andererseits gaben wir gern kameradschaftlich einige fachmännische Ratschläge zum Besten! Im Gefolge der Sexwelle hatte sich das Blue-City-Konzept irgendwann überlebt, mit Nackttänzerinnen konnte man keinen Blumentopf mehr gewinnen. Hinzu kam der Abbau der Bundesmarine. Und das war das Ende für das Sündenbabel unserer Vaterstadt.