Klassenfahrt mit der Freiherr-vom-Stein-Schule

Wer war's?

Unser Physik- und Chemielehrer (und Klassenlehrer!) Tammo war ein Unikum im Lehrerkollegium der Freiherr-vom Stein, denn er hatte ein Glasauge. Hinzu kam sein plattdeutscher Zungenschlag. Wie er zu dem Namen kam, ist mir nicht bekannt, denn in Wirklichkeit war sein Vorname Fritz. Ungewollte Heiterkeit erregte T. als er sich einmal einen Übeltäter unter seinen Schülern zur Brust nehmen wollte. Er sagte: „Botho, das müssen wir mal unter vier Augen besprechen!“ und die ganze Klasse brüllte laut los.

Wop bop a loo bop, der Hund pisst Bluna- Tutti Frutti!

In kritischen Situationen schreckte T. nicht davor zurück, sein Glasauge als Argumentationshilfe einzusetzen. Unvergesslich bleibt mir eine Begebenheit in einem kleinen Dorf. Im Rahmen unserer Klassenfahrt nach Holzminden (siehe auch: https://bruniversum.com/es-geschah-vor-der-freiherr-vom-stein/) machten wir auch eine Wanderung in dem Mittelgebirgszug Ith. Nach etlichen Stunden kam unsere Klasse unter der Führung Tammos hungrig in einer Gaststätte an. Der Wirt sagte sofort: „Wir haben Mittagspause, hier gibt es nichts! Geht weiter!“. Aber T. wusste, wie hungrig wir waren, und versuchte, den Mann zu überreden, für uns eine Ausnahme zu machen. Doch der blieb stur! Da griff T. zu einer List! Er sagte: „Ich biete Ihnen eine Wette an! Ich wette mit Ihnen, dass ich mir selbst ins Auge beißen kann! Wenn ich verliere, bekommen Sie 100 Mark, wenn Sie verlieren, geben sie den Jungs was zu essen!“ – „Na, das will ich sehen!“, sagte der Wirt. Und was tat T.? Er nahm sein Glasauge heraus und biss hinein! Der Wirt staunte nicht schlecht. „O. k., Sie haben gewonnen, kommt rein, Jungs!“. Wir verzehrten unsere mitgebrachten Stullen und T. spendierte uns Bluna und Florida Boy. Wir hatten noch nicht mal halb ausgetrunken, als der Wirt schon zum Aufbruch drängte: „Nun trinkt doch mal ’n büschen schneller, Jungs! Ich will Mittag machen!“.

Diese Hektik verärgerte den ruhigen Ostfriesen, und er forderte den Wirt auf, seine Schüler doch in Ruhe austrinken zu lassen. Jedoch – auch das half nichts! Da zwinkerte T. uns zu und sagte zum Wirt: „Wenn Sie die Jungs in Ruhe austrinken lassen, beiße ich mir auch noch ins andere Auge!“ – „Was soll der Quatsch?“, sagte der Wirt, „Kein Mensch hat zwei Glasaugen!“ – „Die Wette gilt!“, sagte T.: „Ich beiße mir in mein anderes Auge und Sie lassen die Jungs in Ruhe austrinken! Wenn ich verliere, gehen wir sofort und ich zahle Ihnen das Doppelte für die Zeche!“ – „Abgemacht!“ antwortete der Wirt. Da nahm T. sein falsches Gebiss raus und zwickte sich ins andere Auge! Zum Abschied nahm unser Pauker den unfreundlichen Wirt nochmals aufs Korn. Er sagte: „Ich biete Ihnen noch eine Wette an: Ich stelle mich hier auf den Tisch und pisse Sie an, ohne dass Sie nass werden! Wenn ich verliere, bekommen sie 100 DM!“. – „O.K.! Das will ich sehen!“ sagte der Wirt. T. kletterte auf den Tisch und öffnete seinen Hosenstall. 

Der Wirt stellt sich vor ihn. T. begann zu pissen und der Wirt war im Nu pitschnass! „Sie alte Sau, was fällt Ihnen ein?“, brüllte der Wirt. „Na ja, man kann ja nicht immer gewinnen …“ sagte unser Pauker, legte einen Hunni auf den Tisch und wir gingen unserer Wege. Wir lagen vor Lachen fast auf dem Bauch! Wie stolz waren wir auf unseren cleveren Pauker!   

Allerdings war sein Verhältnis zu unserer Klasse nicht immer ganz ungetrübt. Bei der Abschiedsfeier zur Mittleren Reife nahm er uns das Versprechen ab, ihn niemals zu einem Klassentreffen einzuladen – wir seien der schlimmste Klassenverband seiner gesamten Lehrerlaufbahn gewesen! Als wir ihn vierzig Jahre später doch zu unserem ersten Treffen einluden, hatte er uns offenbar vergeben, denn er folgte der Einladung. Es verlief sehr harmonisch und wie es scheint, war es ihm ein großes Bedürfnis, sich mit uns zu versöhnen. Nicht mal ein halbes Jahr später verstarb er und wir alle waren traurig.

40 Jahre später: Alles vergeben und vergessen!