Demonstration

Max Reichpietsch, guter Kumpel des Roten Konrad

Brav begleitete ich daher Lupus zu diversen Demonstrationen, um ihn von meiner revolutionären Gesinnung zu überzeugen. Eine davon begann nahe dem Berliner Wittenbergplatz vor dem Gebäude des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Wir waren dorthin gekommen, um ein paar DGB-Bonzen ‚abzuholen’. Gemeinsam mit ihnen wollten wir nach Tempelhof marschieren, um die unhaltbaren Zustände im Wohnheim des für seine Ausbeutermethoden berüchtigten Westberliner Strumpfwarenherstellers ARWA in Augenschein zu nehmen. Vor dem DBG-Haus traf ich zum ersten Mal den ‚Roten Konrad’, einen alten Arbeiterkämpfer. Der hatte, wenn man seinen Erzählungen glauben durfte, 1918 bei der Meuterei der kaiserlichen Flotte mitgewirkt. Dem Auslöser der deutschen Revolution. Übrigens in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven. Später habe er zur legendären Volksmarinedivision gehört, die der Reaktion trotzte. Wie auch immer: Der Opa drohte den DGB-Leuten mit dem Krückstock und erzählte, dass er einen der anwesenden ‚Arbeiterverräter‘ des DGB aus der Nazi-Zeit kenne. Damals habe der an der Unterdrückung der Arbeiter mitgewirkt. Mir kamen fast die Tränen: Ein echter Veteran des Arbeiterkampfes! Right on, Roter Konrad!

Da sich die Gewerkschaftsvertreter unter dem Schutz der Bullen wussten, weigerten sie sich standhaft, uns, das revolutionäre Volk, zu begleiten. Doch wir wussten uns zu helfen: Dann fahren wir eben ohne die zum U-Bahnhof Ullsteinstraße, von wo aus wir zum Wohnheim marschierten. Dort wurden griechische Gastarbeiter wie Tiere gehalten und mussten für Hungerlöhne knechten: 16-Stunden-Tag bei vollem Lohnraub, sozusagen! Unmenschliche Zustände, denen wir nicht tatenlos zusehen wollten. Vor dem Tor der Unterkunft wartete schon die Staatsgewalt. Es gelang mir, die Anerkennung der Genossen zu gewinnen, indem ich bemerkte, dass der Stoßtruppführer wie Gestapo-Müller aussah! Wir skandierten unsere Losungen: ‚Nieder mit ARWA! Arbeiterrechte für alle!’, ‚Hoch die internationale Solidarität’ und sangen die Internationale. Irgendwann erschienen ein paar der Gastarbeiter auf der Terrasse des Wohnheims – und was riefen sie? „Ha Ho He – ARWA ist O. K.!!“ Ein schlagender Beweis für den Erfolg der Gehirnwäsche des Schweinesystems. Oder die Pigs standen mit der Knarre im Anschlag hinter den armen Kerlen. Offen gesagt: Mir schien, dass die Leute besser wohnten als wir selbst. Doch hier ging’s schließlich ums Prinzip!

Ha, ho, he - ARWA ist o.k.!