Cao Dai – Ein Besuch im Vatikan

Vatikan der Caodaiisten in Tay Ninh, Vietnam

Cao Dai - ein Besuch im Vatikan

Der Heilige Wladimir Iljitsch Lenin

Die in Vietnam beheimatete Cao-Dai-Sekte ist wohl eine der interessantesten religiösen Vereinigungen der Welt. Sie wurde in den wilden 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts von einem offenbar sehr belesenen hohen einheimischen Verwaltungsbeamten der französischen Kolonialmacht begründet. In mehreren Séancen schuf der Mann das Grundgerüst des zeitweise ungemein populären neuen Glaubens, den man getrost synkretistisch nennen darf. Eine groteske Mischung aus Mahayana-Buddhismus, chinesischer Philosophie, Christentum und Atheismus. Die Sekte verehrt zahlreiche Medien, darunter Jeanne d’Arc, Rene Descartes, Lenin (!) und Victor Hugo. Letzterer nimmt offenbar als Beglaubiger der ‚Dritten Allianz zwischen Gott und den Menschen’ eine besonders wichtige Position ein. Auf einem Gemälde im farbenprächtigen ‚Vatikan’ der Sekte in der Stadt Tay Ninh unweit der kambodschanischen Grenze (s. Foto) fungiert er neben Sun Yatsen und einem vietnamesischen Poeten als Unterzeichner des Abkommens.

Der ‚Vatikan’ der Caodaisten ist eine äußerst farbenprächtige Angelegenheit, die nur in Disneyland und im Tiger Balm Garden in Singapore ihresgleichen findet. Oder vielleicht noch im Thanboddhaye-Tempel in Monywa/Myanmar. Die Sekte ist im Süden weit verbreitet. Und so haben jene, die den langen Weg von Saigon nach Tay Ninh scheuen, häufig die Gelegenheit, sich einen Cao-Dai-Tempel anzuschauen. Wenn diese auch nur einen Abglanz ‚vatikanischen’ Glanzes bieten. Ein Ausflug ins Mekongdelta gehört für jeden Besucher Saigons zum festen Bestandteil des Programms. Als Ausgangspunkt für die Fahrt ins Delta – ein typische Touristenfalle mit Schlangen-Schnapsverkostung und allem, was dazu gehört – dient Mytho, eine größere Stadt, die mit dem nicht allzu weit entfernten Saigon durch eine gute Straße verbunden ist. Als der Chronist in den neunziger Jahren eine Gruppe auf dem Weg dorthin begleitete, wurde auch ein Stopp an einem Cao-Dai-Tempel eingelegt. Wir wurden von einem freundlichen älteren Mönch empfangen, der uns stolz seinen Tempel vorführte. Wie immer bei solchen Stopps überkam einige Teilnehmer ein menschliches Bedürfnis und sie baten den Mann diskret, ihnen die Toilette zu zeigen. Hinter dem eigentlichen Tempel befand sich ein Gang, an dessen Ende zwei Räume lagen. Die Gäste verteilten sich nach Geschlechtern sortiert. Während die Damentoilette sogar ein echtes Stehklo aufwies, war die Herrentoilette mehr als spärlich ausgestattet: So pinkelten die Herren einfach an die Wand! Der Mönch stand lächelnd daneben und nickte den Pinklern ermunternd zu. Als der lokale Führer hinzukam, traf ihn fast der Schlag. Die Herren hatten in die spärlichst möblierte Klause des guten Mannes gepinkelt – und der stand daneben und lächelte: Asiatische Höflichkeit in Reinkultur!

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