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Hammer und Zirkel, wie lieb ich dich!

bedeutete: Deutsche Demokratische Republik. Der deutsche ‚Arbeiter- und Bauernstaat‘ bestand von 1949 bis 1990, als er in der BRD aufging. Nachstehend die Story meines ersten Besuches in Ostberlin im Jahre 1970. Wir fuhren mit der S-Bahn zum Alexanderplatz, wo wir das pralle Leben kennenlernen wollten. Vor uns lag eine Betonwüste, die in mir augenblicklich die Assoziation ‚Freies Schussfeld’ hervorrief. Die Gebäude waren von ausgesuchter Hässlichkeit und trugen so coole Namen wie Haus des Lehrers oder ähnlich. In den Läden wurden lauter hässliche Dinge angeboten. Die waren nicht mal die paar Pfennige wert, die sie kosteten. Verzweifelt versuchten sie, unseren Freien Westen zu imitieren: Sogar die Haribo-Jacken, die Plastik-Lederjacken für Bedürftige aus dem Westen, hatten sie kopiert. Die hießen Lederol-Jacken und so sahen sie auch aus. Offenbar waren die Ostler sehr stolz auf diese Kopie einer schlechten Kopie. Denn sie warben mit dem Spruch ‚Bist du in Lederol gekleidet, selbst der Westmann dich beneidet’ für diesen Paria unter den Plastikjacken. Das schlug ja ‚Plaste und Elaste aus Schkopau’ an der Autobahnbrücke Richtung Nürnberg um Längen …

Ich hatte eine Cousine in meinem Alter, die in Adlershof lebte. An ihrer Seite lernte ich mit wechselnden Begleitern aus dem Goldenen Westen die Kulturszene des Ostens kennen. Da aus dem Zwangsumtausch stets ’ne Menge Geld übrig blieb, hielten wir sie und die Freundinnen frei. Auf meinen besonderen Wunsch fuhren wir einmal ins Rathaus Köpenick, um die Wirkungsstätte des berühmten Hauptmanns kennenzulernen. Wir beschlossen, im Ratskeller essen zu gehen. Ich bestellte Wildschweingulasch mit Rotkohl und dicker Soße für 2.97 MDN und eine Club-Kola für 31 Ostpfennig. Das Essen war nicht so besonders, aber ich aß brav auf. Man wollte ja auch die Ostler nicht verärgern – vielleicht gab es da schwere Strafen für Teller-nicht-leer-Essen … Dazu Musikbegleitung von einer Ostkapelle. Als die Rechnung kam, stand darauf nicht etwas 3.28 MDN, wie es sich gehörte, sondern 3.39 MDN. Ich rief den Kellner herbei und fragte, ob er sich vielleicht verrechnete habe: 2.97 plus 0.31 macht nach Adam Riese 3.28 MDN! Und was sagte der? „Elf Pfennig für Musikbegleitung!“

Ich war wohl der Einzige, der die Musik im Ratskeller halbwegs akzeptabel fand, denn meine Cousine war echter Beatfan. Die progressiven Ostler standen auf die Stones, ein Mädel trug den Namen ‚Stonesvettel’. Auch die Renft-Combo hatte ihre Anhänger – vom Stuhl haute mich der Ostrock nicht grade. Halt irgendwie ostig. Vor den Besuchen im Osten schickte mir die Schwippcousine erst mal eine lange Liste von Songs. Die sollte ich für sie auf Kassette aufnehmen. Weiß nicht, ob sie besonders progressiv sein wollte, mich bloßstellen oder die Vopos bewitzen wollte – die benutzte Abkürzungen, die selbst mir Fantasiebegabtem einiges abverlangten: Was um Himmels willen war BST? Oder CTA? ELP konnte man sich noch halbwegs zusammenreimen. Ansonsten war ich nicht selten überfordert.

Statue des berühmten Hauptmanns am Rathaus von Köpenick