Totenweg!

Das Wilhelmshavener Heimatlexikon nennt ihn einen ehemaligen Begräbnisweg zwischen Rüstersiel und der Kirche Neuende. Der Weg, der bei der Kreierei (Name eines alten Bauernhofs an der Ecke Altengrodener Weg/Freiligrathstraße) begann und am Neuender Busch vorbeiführte, war in früherer Zeit mit Bäumen bestanden. Die holzte man im Laufe der Zeit ab, um den Weg ‚trockener zu machen‘. Die Funkstelle der Reichsmarine wurde dort errichtet, später von der Kriegsmarine übernommen. Nach dem Krieg ließ sich dort eine Schuhfabrik nieder. Deren Besitzer war Kunde auf der Tankstelle meines Vaters und daher mussten wir dort immer unsere Schuhe kaufen. Wir Kinder fanden den T. immer sehr geheimnisvoll – dieser Name!  Als Knabe

stellte ich mir vor, dass dort (zumindest bei Nacht) die Toten spazieren gingen. Als man das Alter erreicht hatte, in dem man es hätte prüfen können, glaubte man es nicht mehr. Neben jener mystischen Bedeutung hatte der T. auch eine eher erdnahe für uns: Dort wohnte Tante Lori in einer Laube, die Ziel so mancher Sonntagsausflüge war. Meine Cousine Inge beichtete mir fast 50 Jahre später, dass sie ihrem leiblichen Vater bis heute nicht verziehen hat, dass er sie damals im tiefsten Winter nach draußen auf den Donnerbalken geschickt hat, während sie doch viel lieber im warmen Haus aufs Töpfchen gegangen wäre. Im Sommer war es zwar nicht kalt, aber dafür tummelten sich da die Ratten. Eine von ihnen hat Inge sogar mal angefaucht, als sie um die Ecke bog.

Brennend heißer Würstchenstand, fern, so fern dem Heimatland ...

Unvergesslich bleibt mir, wie wir an einem sonnigen Nachmittag am Tag der Deutschen Einheit mit Eltern, Bruder und der befreundeten Familie eines Fernfahrerkollegen meines Vaters einen Spaziergang dorthin unternahmen. Während die Frauen Kaffee tranken und wir Kinder spielten, sprachen die Männer zusammen mit Loris Lebensgefährten Anton dem Selbstgebrannten zu. Der Rückweg nach Kaninchenhausen gestaltete sich sehr kurzweilig für den Nachwuchs und peinlich für die Gattinnen. Sie konnten ihre schwankenden, ‚Brennend heißer Würstchenstand‘ und andere Schlager jener Zeit grölenden Ehepartner nur mit Mühe in der Senkrechten halten: Loris Destillat hatte es in sich gehabt!! Nachdem Lori eine richtige Wohnung gefunden hatte, übernahm mein Onkel Richard ihre Laube und baute sie zu einem, wie er es nannte, ‚Schmuckkästchen‘ aus.