Politische Literatur

Der (biologisch gesehen!) mäßig gesellige Säuger Homo sapiens unterscheidet sich ... kein Jota vom Lemming

Als völlig unpolitischer junger Mann geriet ich im Berlin der späten 60er in die Gesellschaft stark politisierter Leute. Die sehr viel Literatur aus diesem Bereich lasen. Also hieß es sich umzuorientieren, um auch hier ‚mitreden’ zu können. Um meine vermeintlichen Defizite auszugleichen, begann ich zu lesen und lesen und lesen. Bis mir die Buchstaben vor den Augen tanzten. Die Bücher waren furchtbar langweilig, gleichwohl musste man da wohl durch. Zumindest bildete ich mir das ein. Vielleicht war meine Auswahl an Büchern falsch – oder die an Bekannten … Die moderne Industriegesellschaft von Galbraith ist mir in lebhafter Erinnerung. Da musste man sich zum Weiterlesen geradezu zwingen. Eine grauenhafte Bleiwüste! … Ziemlich schlimm war auch Dieter Duhms Angst im Kapitalismus, in dem Psychologie und Politik vermengt wurden. Der Verfasser selbst verlor später seine Angst vor dem Kapitalismus. Er entpuppte sich als cleverer Geschäftsmann, der im ehemals revolutionären Alentejo (Portugal) Gutgläubige ausnahm (s. a.a.O.). Auch an Senghaas, der sich über die Asiatische Produktionsweise ausließ, und den wir in einem Uni-Seminar lasen, habe ich keine guten Erinnerungen. Ganz zu schweigen von den Blauen Bänden (Das Kapital, Bd. 23 und folgende), durch die ich mich in diversen Kapitalkursen mehr schlecht als recht quälte.

 

Der Horrortrip

Doch zum Glück gab’s zum Thema Politik auch lustige Bücher. So z. B. APO und Establishment aus biologischer Sicht – verfasst von Dr. Fritz Frank. Der (Zitat) ‚ … wurde international bekannt durch seine grundlegenden Untersuchungen über die Massenvermehrungen frei lebender Nagetiere, in deren Rahmen er sich eingehend mit Sozialverhalten und Sozialstruktur höherer Wirbeltiere befasste … denen sich auch das Lebewesen Mensch nur beschränkt zu entziehen vermag. … Der Autor stellte die ganze Diskussion vom Kopf auf die Füße. Eingangs wurde die 68er-Studentenbewegung grundsätzlich positiv bewertet (Zitat): Diese hatte sich bis dahin weitgehend auf das persönliche Versagen der Machthaber beschränkt und deren Ablösung durch qualifiziertere Führungskräfte gefordert. So weit, so gut, doch dann kriegte die APO ihr Fett ab: Die geistigen Anführer der APO-Studenten sehen die Wurzel allen Übels dagegen in der bloßen Existenz privilegierter Führungsschichten und damit im 

hierarchischen Aufbau aller gegenwärtigen Gesellschaftssysteme. Sie halten diesen für eine zweckvolle Konstruktion zur Gewinnung und Bewahrung von Macht und Privilegien auf Kosten der breiten Massen und sind davon überzeugt, dass die Abschaffung dieses Gesellschaftssystems Elend, Unterdrückung und Aggression für immer verbannen wird’. Und diese Schlussfolgerung entlarvt Frank als falsch: Denn zeigten nicht die Waldspitzmaus, das Mauswiesel, der Berglemming, die Feldmaus, das Wildkaninchen und die Präriehunde, ‚ … dass die behandelten sozialen Phänomene nicht erst im Primatenbereich auftreten, sondern allgemein-biologischer Natur sind.’? Der (biologisch gesehen!) mäßig gesellige Säuger Homo sapiens unterscheidet sich in dieser Hinsicht kein Jota vom Lemming, der lt. Dr. Frank – ganz im Gegensatz zur allgemeinen Überzeugung – auch nur mäßig gesellig ist. Wenn der allzu viel Gesellschaft hat, stürzt er sich ins Meer: Mal sehen, wann es bei der Menschheit so weit ist…