Der 'Bund' -Schrecken der deutschen Jugend

Bertelsmanns Volkslexikon bezeichnet die B. sehr zutreffend als ‚Wehrmacht der BRD’ – gar nicht so abwegig: Anfangs waren sowohl die Offiziere als auch der Drill die alten … Der ‚Bund’ war der Schrecken aller männlichen (und weiblichen!) Jugendlichen. Es fing ganz harmlos an: Der Wehrpflichtige bekam einen Schrieb, nach dem er sich zur Musterung beim Kreiswehrersatzamt einzufinden hatte. Allerdings stellte sich nach kurzer Zeit heraus, dass der Begriff irreführend war. Ein Ersatz für das Wehren war überhaupt nicht vorgesehen, die Alternative Ersatzdienst war fast noch mühsamer als das Dienen. Bei der Musterung musste man sich bis auf die Unterhose ausziehen und in den Mund schauen lassen, wobei ‚Aaahh’ zu sagen war. Dann bekam man den Bescheid: ‚Ersatzreserve zwo’ – auch wieder so ein schönfärberischer Begriff. Er vermittelte einem den Eindruck, dass zuerst einmal die reguläre Truppe gezogen wurde, dann die Reserve, anschließend die Ersatzreserve 1 und schließlich, wenn alle Stricke rissen, die Ersatzreserve 2. Also ein ziemlich unwahrscheinlicher Fall. In Wirklichkeit bedeutete es, dass man bei erstbester Gelegenheit einen Einberufungsbefehl bekam. Wer dann keinen Lehrvertrag oder Gleichwertiges vorweisen konnte, war arm dran. Für 150 DM im Monat durfte er durch Schlamm robben, sich kostenlos die Haare schneiden lassen (angeblich, damit die Gasmaske dicht war) und ähnliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen. Sogar regelmäßige Heimfahrten in der Eisenbahn, zusammen mit grölenden Kameraden, wurde spendiert. Mit der Übergabe des Wehrpasses, der einem in vielerlei Hinsicht Beschränkungen auferlegte, war das Schicksal besiegelt. So meldete sich mancher freiwillig, damit er ein paar Mark mehr im Monat bekam. Dafür wurde er dann von den Kameraden ‚Z-Schwein’ genannt.

Der sicherste Weg zur Vermeidung der Einberufung war der rechtzeitige Umzug nach Berlin: Dort hatte die B. keinen Zugriff! Welcher Neu-Frontstädter erinnert sich nicht mit Genugtuung des Momentes, als er den Wehrpass an das Kreiswehrersatzamt zurückschickte!! Bei mir war es anders: Ich wollte unbedingt dorthin! Aufgrund einer starken Abneigung gegen Arbeit aller Art wähnte mich dort am besten aufgehoben. Nach Abschluss der Mittleren Handelsschule bewarb ich mich daher freiwillig als Z-Schwein und wurde zum Eignungstest nach Hannover eingeladen. Da stand ich nun in der ‚General-Weber-Kaserne’ (?) mit all diesen merkwürdigen Gestalten, kloppte Skat, musste sportliche Übungen machen und Fragebögen ausfüllen. Beim Interview habe ich offenbar einen schlechten Eindruck hinterlassen: Als sie mich fragten, welche Waffengattung mir vorschwebe, sagte ich klipp und klar, dass für mich nur der Einsatz als Discjockey beim

Bundeswehrsender (hatte in der BamS davon gelesen) in Frage käme. Ansonsten kein Interesse! Nachdem ihnen klar wurde, dass es mein Ernst war, entließen sie mich lächelnd. Kurze Zeit später dann der Schock: ABGELEHNT! Weiß noch heute, wie ich das Einschreiben an einem Sonnabend bei der Hauptpost abholte und öffnete: Mir wurde heiß und kalt! Mein Vater besorgte mir auf den letzten Drücker eine Lehrstelle bei M.F. Tapken. Nach drei Tagen war die ‚Ausbildung‘ beendet. Es folgte eine Lehre bei Fritzen Kraftverkehr. Als ich mich gerade eingearbeitet hatte, kam der Einberufungsbefehl! Diese Schweine! Als Freiwilliger war ich ihnen nicht gut genug, aber als Gezogenen wollten sie mich gern haben! Seitdem bin ich deren unversöhnlicher Feind! Als auch die zweite Lehre scheiterte, setzte ich mich vorsichtshalber gleich nach Berlin ab! Meinen ‚Wehrdienst‘ leistete ich dann bei der 3. Entglasungsbrigade der APO auf dem Berliner Kudamm ab!