Professor
Jürgen Pinnow

Tlingit - bedeutender als du denkst

… war vermutlich das einzige Genie, das ich in meinem Leben kennen gelernt habe. Er beherrschte nicht weniger als sechzehn Sprachen, allerdings nicht immer in der Alltagssprache. Er hatte keine Probleme damit, zuzugeben, dass er sich auf Tamil nicht mal ein Bier bestellen konnte. War halt 1200 Jahre zu spät gekommen … Pinnow war ein auf den ersten Blick unscheinbarer, aber in Wahrheit äußerst origineller Typ. Alle seine Lehrveranstaltungen fanden an einem Donnerstag statt: Von 2 bis 4 unterrichtete er uns in Tamilisch, anschließend gab er zwei Stunden Tibetisch, dann zwei Stunden Navajo und am Ende noch zwei Stunden Tlingit. Was das ist? Das haben wir uns damals auch gefragt! Und für alle Veranstaltungen hatte er Studenten, Tibetisch war sogar recht gut besucht. Unser Tamil-Kurs war der kleinste: Wir waren nur zwei Studenten und ein Prof – so stellte man sich das Studium vor! Um zehn Uhr abends war er mit dem Wochenpensum durch (acht Pflichtstunden). Und fuhr am nächsten Tag zurück nach Sylt, wo er angeblich ein Häuschen hatte und bis Mittwoch blieb. Irgendwann trafen wir die Tlingit-Studenten und waren bass erstaunt: Wir erfuhren, dass die Tlingit einer der bedeutendsten Indianerstämme an der Nordwestküste

Nordamerikas waren. Immerhin fast 20.000 gab es von der Sorte! Sie machten sehr schöne Totempfähle! Und unser Lehrer, Professor Pinnow, war einer der größten Experten in dieser Sprache! Sein legendäres Werk über Die Vogelnamen im Tlingit war bahnbrechend! Ebenso wie die Arbeit: Die Flussnamen im Pandschab

Pinnow hatte irre Geschichten auf Lager: So erzählte er uns von der ‚Sonnentheorie’. Mit der wollten die Türken in der Atatürkzeit beweisen, dass Türkisch die Ursprache war, von der alle anderen Sprachen sich früher oder später abgespalten hätten. Selbst das Tamilische musste als Beweis herhalten: Kara bedeutet auf Türkisch Schwarz und im Tamilischen heißt Schwarz karuppu! … Natürlich alles Bullshit! Oder wie die Religion die Sprache beeinflusst: Gemäß unserem Prof. überwiegen im Tibetischen die Passivformen. Und warum? Ist doch klar: Alles karmisch bedingt, mit den Leuten geschieht etwas. Während wir etwas tun, daher viele Aktivformen in unserer Sprache. Es wäre interessant zu untersuchen, ob sich die Sprache bei Langzeit-Sozialhilfeempfängern im Laufe der Zeit verändert, d. h. ob diese Randgruppe Passivformen bevorzugt. …