Zwangsarbeit in Myanmar
war lange Zeit ein Lieblingsthema der westlichen Presse. Auch der SPIEGEL nahm sich des Themas an: Ich erinnere mich an ein Foto zu diesem Artikel, auf dem eine Reihe von Frauen zu sehen war, die die Plattform der Shwedagon-Pagode in Yangon fegten – Bildunterschrift: ‚Zwangsarbeiterinnen in Burma‚. Wirklich, eine echte Sauerei, wozu die Militärregierung die Leute alles zwingt! Dagegen muss man doch vorgehen! Bisher offenbar leider vergeblich: Diese Form der Zwangsarbeit ist immer noch zu sehen, und zwar jeden Tag – ein Skandal! Oder liegt es vielleicht daran, dass die Leute glauben, dadurch religiöses Verdienst erwerben und es sogar eine lange Warteliste gibt, auf der man sich zur ‚Zwangsarbeit‘ eintragen kann? Dass man auch mal Fotos (Bagan=Yangon) vertauscht ist eher die Regel als die Ausnahme – ist ja eh alles sooo weit weg, wen interessieren da schon die Details? Wohlgemerkt: Ich verurteile Zwangsarbeit natürlich von ganzem Herzen aber der ‚gute‘ Zweck (Kritik an der Militärregierung) heiligt doch nicht alle Mittel! Als Staatsbürger eines Landes, das im selbst angezettelten Krieg Leute z. T. jahrelang unbezahlt schuften ließ (viele von ihnen kamen auch ums Leben), frage ich mich, ob das bei uns dafür verwendete Wort Zwangsarbeit auch für diese Art von ‚kommunaler Tätigkeit’ Verwendung finden sollte. Dabei handelt es ich z. B. um Straßenbau oder den Bau von Bewässerungsanlagen. Solche Maßnahmen kommen oft auch dem Dorf der zu diesen Arbeiten Herangezogenen zugute. Wohlhabende können sich übrigens für einen Dollar pro Tag frei kaufen!
Manch ein Zwangsarbeiter im Dritten Reich hätte vermutlich gern den zehnfachen Betrag bezahlt, wenn er dafür wieder nach Hause hätte zurückkehren können … Es ist ja auch noch nicht so lange her, dass in Europa Hand- und Spanndienste von Bauern geleistet werden mussten oder die Bewohner der Küstenregionen beim Deichbau Hand anlegen mussten (‚Wer nicht will deichen, muss weichen!‘) – oder halt einen Arbeiter bezahlen, wie auch mein Freund in Mandalay (siehe unten). Nur am Rande bemerkt sei hier, dass in Myanmar kaum jemand Steuern bezahlt, sodass für solche Arbeiten einfach kein Budget da ist. Am schlimmsten fand ich es, wenn die Armee (oder auch Rebellengruppen) einfach Leute einkassiert und als unbezahlte Träger so lange arbeiten lässt, wie es der Kommandeur für angemessen hält. Dies hat noch den zusätzlichen ‚Vorteil‘, dass die Zwangsrekrutierten aus der Gegend stammen und evtl. über die Lage von Minenfeldern Bescheid wissen. Von Bezahlung natürlich ebenfalls keine Rede. Es war in den 80er-Jahren, als die Stadtregierung von Mandalay beschloss, dass jeder (?) Haushalt in der Stadt eine
Person stellen musste, die bei der Renovierung des die Zitadelle umgebenden Grabens Hand anlegen musste. Dieser war damals weitgehend verschlammt und es wurde befürchtet, dass er sich zu einer Brutstätte von Malariamücken usw. entwickeln würde. Werkzeug war mitzubringen, ansonsten mussten die Leute (angeblich) mit bloßen Händen den Schlamm wegtragen. Ich kam zufällig gerade zu jener Zeit in Mandalay an, wo ich meinen Freund, einen Arzt, besuchte: ‚Hast du schon gehört?’ fragte er mich mit Grabesstimme ‚Wir mussten Zwangsarbeit leisten?’. ‚Was, Zwangsarbeit, ist ja furchtbar! Wo denn?’ entgegnete ich. ‚Jede Familie musste eine Person für die Renovierung des Zitadellengrabens stellen!’ – ‚Ist ja ein Ding!’ sagte ich. ‚Und wer von Euch ist gegangen: Du oder dein Sohn?’. ‚Natürlich keiner von uns!’ war die Antwort ‚Wir haben einen Arbeiter bezahlt!’. ‚Und was hat der gekostet?’ fragte ich neugierig. ‚Na, einen Dollar pro Tag!’ sagte mein Freund mit klagender Stimme. ‚Wirklich? Das ist ja furchtbar!’ sagte ich in scherzendem Ton aber mein Freund war nicht zu Scherzen aufgelegt.