Totenkult

Dakhma in Bombay
Reichverzierte Schädelschale (Kapala) aus Tibet

Indien hat ein wildes Sammelsurium an Religionen, die westlichen Besuchern teilweise etwas merkwürdig anmuten. Da haben wir z. B. die Parsi, Nachfahren von aus dem Iran eingewanderten Persern, von denen es allerdings nur etwa 100.000 gibt – aber die haben eine immense wirtschaftliche Power! Sie dürfen nur untereinander heiraten und vermehren sich daher kaum. Irgendwie sehen sie alle krank aus, mit dunklen Ringen um die Augen. Der bekannteste unter ihnen dürfte Freddy Mercury, der Sänger der Rockband Queen, sein. Der starb allerdings nicht an degenerativen Defekten, sondern an AIDS. Die Parsi dürfen ihre Toten nicht beerdigen oder verbrennen, da das die Elemente verunreinigen würde. Vor allem das Feuer ist ihnen heilig. Doch die Burschen wissen sich zu helfen. Sie bringen die Toten in sogenannte Türme des Schweigens (dakhma), wo man sie auf Gitterroste legt. Dort picken Vögel das Fleisch ab und die Knochen fallen durch den Rost nach unten – echt praktisch! Die Tibeter praktizieren ganz ähnliche Sitten. Nur haben sie keine Türme, sondern zerhacken die Toten und verstreuen ihre Überreste auf einem Feld, wo sich Vögeln und andere Tiere der Überreste annehmen. Die Leichname besonders hoch geschätzter Äbte werden zu Kultgegenständen umgewidmet: Aus den Schenkelknochen fertigt man gern Flöten und die Schädel verwandeln sich in die berühmte Schädelschale kapala.

Ein Erlebnis darf hier nicht fehlen. Ich trieb mich an einem der Verbrennungsghats in Benares herum. Bald erschien ein Trauerzug, angeführt von einem offenbar wohlhabenden Mann. Der Tote war dick und schwer. Die Knechte hatte Mühe, ihn auf den stattlichen Scheiterhaufen zu wuchten. Der Anführer entzündete das Feuer. Schnell war das Leichentuch verbrannt und es brutzelte lustig vor sich hin. Die Trauergesellschaft umrundete den Scheiterhaufen. Und dann schlug der Anführer – believe it or not! – mit einer langen Stange dem Toten den Schädel entzwei: vermutlich, um die Seele zu befreien. Anschließend entfernten sich die Trauernden. Die Knechte saßen am unteren Ende des Scheiterhaufens und erzählten sich lachend irgendwelche Döntjes. Ich sah fasziniert zu, wie der Leichnam verbrannte: Zuerst platzte die Haut am Körper des Toten an diversen Stellen auf. Zuerst langsam, dann immer schneller, schmolz das Fett heraus. Und dann passierte es: Aus dem Leichnam spritzte eine Flüssigkeit in einem langen Strahl hervor und traf einen der Knechte: Angepisst von einer Leiche! Die Kollegen des Mannes kriegten sich gar nicht mehr ein vor Lachen, während der Angepisste bedröppelt dreinschaute …