Als der Schah noch Karl-Heinz genannt wurde

Karl-Heinz II mit Schahbanu Farah Diba



Teheran 1978

Das Wappen des Schah

In Teheran wohnte man gewöhnlich im Amir Kabir Hotel (allerdings für unverschämte 5,60 DM … ) oder ähnlichen Schuppen. Mein englischer Kumpel Alec sorgte in der Travellerhochburg einst für Aufregung: Er kam als Rucksackreisender mit ein paar Reisegefährten dort an. Sie fanden Unterschlupf in einer Absteige im Rotlichtviertel. Alec kommt aus sehr gutem Hause und hat in England und der Schweiz die besten Schulen und Unis besucht. Damals galt das British Empire noch was in den ehemaligen Kolonien und Halbkolonien. So lernte er während der Ausbildung viele Kinder reicher Leute aus dieser Weltgegend kennen. Sein persischer Schulfreund Ali hatte ihm das Versprechen abgenommen, sich bei ihm zu melden, wenn er mal in Teheran vorbei käme. Im Hotel war das Telefon defekt und daher ging er in einen benachbarten Schneiderladen. Dort fragte er, ob er mal kurz telefonieren könne. Der Schneidermeister war unwirsch (‚Fucking hippies, only give you trouble!’). Schließlich erlaubte er es gegen Bezahlung einer exorbitanten Gebühr. Dann wählte er selbst die Nummer. Als sich der angerufene Teilnehmer meldete, erbleichte der gute Mann und nahm Haltung an. Er war mit dem Palast eines Prinzen verbunden worden! Mit einem unsicheren Lächeln übergab er den Hörer an den Alec. Und seine Hoheit, Prinz Ali, staunte nicht schlecht, als er hörte, wo der alte Schulkamerad untergekommen war. Er verlangte noch einmal den schwitzenden Schneider. Der musste ihm die genaue Lage des Ladens beschreiben, um den Kumpel abholen zu können. Nachdem er den Hörer wieder aufgelegt hatte, bat er ihn inständig, doch bitte, bitte dem Prinzen nicht zu sagen, dass er anfangs ein bisschen unfreundlich gewesen war. Was der ihm wohlwollend versprach. Der Schneider lud ihn in seinen Privatraum ein und bewirtete ihn mit Softdrinks und Kaffee. Eine Stunde später rollte der Rolls-Royce des Prinzen vor und das ganze Rotlichtviertel stand kopf. Stolz wie Bolle stieg er ein, fuhr kurz zum Amir Kabir, wo er sich von den staunenden Reisegefährten verabschiedete und seine Habseligkeiten abholte. Als er bezahlen wollte, bekam der Hotelier einen Riesenschreck: Nein, nein, es sei ihm eine Ehre, den Freund des Prinzen – wenn auch nur kurz – beherbergt zu haben! 

Teheran ist eine große und beschissene Stadt. Doch nun waren wir schon mal da und unsere Gastgeber wollten uns was bieten. So schauten wir uns die Kronjuwelen an. Eine Orgie des schlechten Geschmacks. Eierwärmer aus grünem Samt mit Diamanten besetzt, protziges Geschirr, faustgroße Edelsteine und die Krone des Schahs. Alles nach dem Motto: ‚Dürfen’s vielleicht ein paar hundert Karat mehr sein?’. Der Pfauenthron war auch nicht so berauschend. Wir kamen zu dem Schluss, dass er es wohl ziemlich nötig haben müsse. Alle Deutschen nannten ihn Karl-Heinz (Tarnwort für Kaiserliche Hoheit). Denn die SAVAK hörte überall mit. Allerdings wurde er sehr verkannt. Nicht nur daheim, sondern auch bei uns im Westen. Wir redeten zwar alle von der Revolution, aber der Karl-Heinz beließ es nicht dabei. Er handelte! Er war sozusagen unser revolutionärer Genosse! Zwar war die ‚Weiße Revolution’ nicht unbedingt das, was wir uns darunter vorstellten. Ich glaube, er verteilte etwas Land in der Wüste an die Armen. Immerhin ein Anfang! Karl-Heinz’ Vater war ja auch ein Revolutionär: Er hatte als Junge Ziegen gehütet und sich in der Armee hochgedient. Anfang der Zwanzigerjahre putschte er und setzte die seit mehr als 125 Jahren an der Macht befindliche Khadscharen-Dynastie ab. Dann machte er seinen eigenen Laden (Pahlevi-Dynastie) auf. Ganz im Gegensatz zum Sohn war der Alte ein ganzer Kerl. Einmal wollte er zusammen mit seiner Frau in der heiligen Stadt Ghom eine Moschee besuchen. Der Mullah-Chef von ganz Persien versuchte, der Schahbanu (ohne Kopftuch!) den Eintritt zu verbieten. Und patsch, patsch haute ihm der alte Pahlevi eine runter! Das vergaßen die nie. Seitdem hassten sie die Dynastie.

Tags: No tags

Comments are closed.