Mandalay
Als wir im August 1983 unseren ersten Laden am Berliner Kurfürstendamm eröffneten, kam nur ein Name in Frage: Mandalay! Wir verkauften überwiegend Marionetten aus Burma und andere Theaterfiguren aus Südostasien. … Es kam uns zwar anfangs ein wenig seltsam vor, doch der Umzug zum Ku’damm stellte sich als die richtige Lösung heraus! Wir konnten in der eher versteckt gelegenen Passage Ku’damm 202 im Verborgenen wirken. Den Blicken neidischer ehemaliger Flohmarktkollegen entzogen. Gleichzeitig bekundeten wir unsere Ablehnung des Antisemitismus. Denn die 2.500 DM Miete pro Monat flossen in die Taschen von Atze Brauner, dem Filmmogul. Der Laden lief drei Jahre ganz gut. Doch dann war die Luft raus und wir zogen in den Zoo-Palast.
Aber nun denke keiner, dass ich nur Schwarzmarktgeschäfte gemacht habe. Man musste ja auch ein bisschen offizielles Business haben, sonst fiel das auf. So hatte ich öfter das Vergnügen mit MEIC (Myanmar Export Import Corp.) und Myanmar Co-Op Corp. Ich kaufte dann zur Tarnung Sachen wie Holzschnitzereien, Perlmuttartikel (nicht ganz problemlos beim deutschen Zoll), irgendwelche albernen Souvenirs, Lackwaren usw. Recht passabel gingen die burmesischen Mönchsschirme, von denen ich sicher Hunderte an den Mann und die Frau brachte. Ein paarmal verkauften wir sogar komplette burmesische Orchester, wobei sich der Gewinn sehr in Grenzen hielt.
Das Problem bestand darin, dass die staatlichen Firmen die offizielle Umtauschrate zugrunde legen mussten, die oft zehnmal höher war als die Schwarzmarktrate. Zum Glück waren die Jungs flexibel und ließen hinsichtlich der Rate mit sich reden, sodass ich mit meiner Mischkalkulation hinkam. Dabei lernte ich auch deren meist unangenehme Vorgesetzte kennen: Ehemalige Militärs, die keinen Schimmer vom Geschäft hatten, aber überall mitreden wollten. Ich habe viele Stunden in heruntergekommenen Lagerhäusern verbracht, wo ich Tee mit diesen Typen trank, um sie bei Laune zu halten. Natürlich hatten sie immer Wünsche: Hier mal ein Golfshirt aus Thailand, da ein Playboy-Magazin. Oder Johnny-Walker-Whisky und 555-Zigaretten. In einem Lagerhaus zeigte mir einer dieser Leute einmal Vogelnester, die für chinesische Käufer bestimmt waren. Die waren so teuer, dass sie in einem speziell gesicherten Raum aufbewahrt wurden. Es gab zwei Qualitäten, rot und weiß, Letztere kosteten mehr.
Unser Hauptartikel waren Marionetten, die ich bei meiner Stammhändlerin in der Shwedagon-Pagode kaufte. Eine sehr nette Frau, mit der ich heute noch Kontakt habe,
obwohl wir beide uns schon lange aus dem Geschäft verabschiedet haben. Einmal besorgte sie mir mehr als vierzig alte Figuren, die ich mit ausgesprochen gutem Gewinn weiterverkaufte. Zwei Partner und ich betrieben am Kurfürstendamm in Berlin ein Fachgeschäft für ‚Asiatika‘, Schwerpunkt Marionetten. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir es zum Marktführer in dieser Nische gebracht. Wir veranstalteten regelrechte Vernissagen, wenn eine neue Sendung gekommen war, und verkauften die Marionetten in ganz Europa. Wir verdienten richtig Geld, doch irgendwann stießen wir an unsere Grenzen. Du kannst dem Kunden eine burmesische Marionette verkaufen, manchmal auch zwei. Es gab Sammler, die mehr als zehn kauften. Aber irgendwann war das Kundenreservoir erschöpft. Und das ist dann das Ende der Fahnenstange. Mit Wayang-Figuren aus Indonesien war es ähnlich, wenn auch da der Bedarf insgesamt größer war. Also stiegen wir auf Silberschmuck aus Bali um. Frauen haben offenbar unbegrenzten Bedarf, wenn es um Schmuck geht. Ab und zu verkauften wir noch mal die eine oder andere Marionette, aber irgendwann war Schluss.
Eine Besonderheit beim Verkauf von Marionetten ist, dass die Kunden große Ansprüche haben. Sie wollen genau wissen, um was für eine Figur es sich handelt, ihre Rolle im Spiel und so weiter. Aber es gab nur sehr wenige Informationen über das Marionettentheater von Burma. Also begann ich zu sammeln. Zuerst schrieb ich eine kleine Broschüre, 1990 dann mein erstes Buch (Birmanisches Marionettentheater), 2000 erschien meine Dissertation zu dem Thema und 2007 schließlich die englische Monographie ‚Burmese Puppets‘. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass das burmesische Marionettentheater mein Leben in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt hat. Wofür ich dankbar bin, denn ich habe dadurch wunderbare Menschen kennen gelernt und viele Freunde gewonnen.