Club 69 - der HIT

Idioten-Dreieck

Ein paar schlimme Finger vor dem TWEN-Club

(Idiot = [griechisch]: Privatmann, gewöhnlicher Mensch, unkundiger Laie – lt. Wahrig) abwertende Bezeichnung für drei Tanzlokale in Höhe Schiller-/Ecke Marktstraße, die unter wechselnden Namen wichtige Treffpunkte proletarischer Jugendlicher waren. In der Blütezeit des I. D.s hießen seine Eckpunkte Club 69, Farmer Bill und Gondel. Aus dem Farmer wurde bald der Twen Club, auch er ein fester Bestandteil des Wochenendvergnügens Banter Jugendlicher. Für nichtproletarische Jugendliche war ein Besuch des I. D.s nicht ohne Gefahren, denn Schlägereien waren dort

 fast unvermeidlich. Wie leicht konnte man mal einem der berüchtigten Hauer zu nahe treten! Wenn der schlechte Laune hatte, entspann sich nicht selten folgender Dialog: „Du hast mir auf den Fuß getreten!“ – „Hab’ ich doch gar nicht!“. „Willst du damit sagen, ich bin ’n Lügner?!“, „Nein, natürlich nicht!“. „Also, entschuldige dich gefälligst!“ – „Entschuldige bitte, dass ich dir nicht auf den Fuß getreten habe!“. Doch selbst die erzwungene Entschuldigung vermochte manchmal nicht mehr, das blaue Auge abzuwenden …

Muddis 25-jähriges Jubiläum im CLUB

Ja, das alte Idioten-Dreieck! Was würde ich dafür geben, dort noch einmal einen Sommerabend (oder auch mehrere!) verbringen zu dürfen und mir mit nur fünf Mark in der Tasche einen netten Abend zu machen. Und ich beginne zu träumen: ‚Es war ein ziemlich anstrengender heißer Freitag, einer von der Sorte, an dem man den Summertime Blues kriegen kann: Stress in der Schule, Stress mit den Alten und nächste Woche steht eine schwere Mathearbeit an, aber jetzt beginnt das Wochenende! Die Häuser strahlen noch die Wärme des Tages ab, doch gegen neun Uhr lässt die Hitze langsam nach und es wird halbwegs erträglich – auf zum Idioten-Dreieck! Erst mal die drei Lokale nacheinander abklappern (beginnend mit dem Club), um zu sehen, wer alles da ist – sieht doch ganz gut aus heute, könnte nett werden! Und die neue kleine Blonde mit dem Kurreesch-Schnitt vom letzten Wochenende ist auch wieder im Farmer – erst mal nur kurz zunicken, sonst bildet die sich noch was ein! Jetzt weiß sie zumindest, dass ich da bin, und lässt alle anderen abblitzen. Hoffentlich … Dann zurück in den Club, mit der neuen Lederjacke (in der Hand zu einem kleinen Bündel zusammengedreht) an Muddi vorbeigeschlichen und mit Brusing, Wolfgang Roth, Osram und anderen quatschen. Langsam wird’s Zeit für den ersten Tanz, also rauf auf die Tanzfläche und mit Rosi, Biggi I, Doris Kämmerling und wie sie alle hießen hauteng tanzen – den Duft ihrer taftgestärkten Haare einatmen, Süßholz zu raspeln, zu fummeln und die neuesten Songs zu hören: Yesterday man, Hang on Sloopy, Woolly Bully, Turn Turn Turn und natürlich Mr. Tambourine Man. Ab und an dürfte sogar ein deutscher Song dabei sein: Marmor, Stein und Eisen bricht, LUS (Liebe und Sonnenschein: https://youtu.be/cxnk_vehDK0), Eine rote Jalousie (https://youtu.be/eB_zUHl58fo), Vom Stadtpark die Laternen oder Frag’ den Abendwind.

https://youtu.be/HepNKqoMxTM (1965)
https://youtu.be/uE_MpQhgtQ8 (1965)
https://youtu.be/_74YzFnQbzg (1965)
https://youtu.be/TlTKhPkZSJo (1965)
https://youtu.be/FUrDkab4d2E (1963)
https://youtu.be/W6N3o4TDYsI (1965)
Die Beach Runners (Autogrammkarte)

Jetzt ist einem schon wieder so warm! Also kurz raus auf die Schillerstraße zum Abkühlen, vielleicht gibt es ja auch zufällig eine Schlägerei zu sehen! Nun ist es langsam Zeit, dem Farmer mal einen längeren Besuch abzustatten und die Blonde zum Tanzen aufzufordern, sonst springt sie womöglich noch ab. Natürlich nur zu schnellen Songs, damit sie nicht merkt, dass ich an ihr interessiert bin! Auf der engen Bühne schaffen sich die Beach Runners und wir uns auf der noch engeren Tanzfläche, eine ohrenbetäubende Version von Slow Down dröhnt aus den Boxen: Hurra, wir leben! Anschließend mit klitschnassem Hemd wieder raus: ›Wir sehen uns später!‹ Na, schau’n wir mal in die Gondel

In der Gonde - voll cool auf der Hollywodschaukel
https://youtu.be/ZUlb_XE0miM

Grille spielt schon wieder Mexican Moonlight und Coconuts aus Congoville, ältliche Sekretärinnen (über 20!) auf der Tanzfläche im Clinch mit Marinern, der Kellner drängt auf eine Bestellung – bloß raus hier, man sollte einfach nicht in diesen Laden gehen! Wieder zum Club, inzwischen ist die ‚deutsche Welle‘ erfreulicherweise abgeebbt und es läuft The Sun ain’t gonna shine anymore und danach sogar Gates of Eden vom MEISTER – hatte ich vor genau drei Stunden gedrückt! Höchste Zeit zu einem Kickermatch gegen Edmund und Konsorten, dann eine Runde geflippert und ein paar Freispiele geholt.

https://youtu.be/Lel21ct4iAE
https://youtu.be/Q11ium_-Lv8 (1965)
https://youtu.be/SqpYgQulfzg (1965)
https://youtu.be/xKKP_cZuk54 (1962)
https://youtu.be/1C38Zevwyx4 (1956)
https://youtu.be/ERrwjR4ZlfI (1963)
https://youtu.be/uOnYY9Mw2Fg (1964)
Klein Wangerooge 1970

Inzwischen hat sich der Club schon etwas geleert und da der Farmer bald zumacht, noch mal kurz rüber und die Blonde in den Club abgeschleppt. Irgendwann macht auch der zu und, es geht mit einer Autokarawane (acht Leute pro VW Käfer), dahinter eine Mopedhorde, nach Klein Wangerooge oder zur Mole. Wie es der Zufall will, plant jemand morgen eine Fete und hat heute schon alles eingekauft, was man so braucht: Der Kofferraum quillt über von den guten Sachen! Der Sturzhelm geht rum, ein Feuer wird angezündet, Miesmuscheln und geklaute Bratwürste gegrillt, dazu gibt es Baguettes. Kröver Nacktarsch und Edler von Mornag sorgen für Stimmung und Zwiebel hat seinen tragbaren Plattenspieler mitgebracht: Wir dudeln die Beach Boys (immer wieder ‚Surfin’ USA‘ und ‚409‘, den Superhit vom Rummel), Jan and Dean (Surf City: ‚Two girls for every boy!‘– Jawoll!) und natürlich den Summertime Blues. Allmählich wird die Stimmung gelassener und wir tanzen zu You’ve lost that lovin’ feelin‘ den Klammerblues. Da kann einem schon richtig heiß werden: Also rein ins Wasser! Die Dreiecksbadehose zu Hause gelassen? Macht nix, dann eben nackt baden und es sich anschließend mit der Blonden auf einer Decke an einem abgelegenen Platz gemütlich machen. Im Morgengrauen dann nach Hause, auf sein Zimmer schleichen und sich schlaftrunken stellen, wenn die Mutter einen weckte – und das tagelang hintereinander!‘. Mit der Eröffnung von Marabu und Voom Voom verlagerte sich der Schwerpunkt des Nachtlebens nach Osten. Der Twen Club verkam zu einer Spielhalle, der Club 69 zum York und die Gondel wurde gar von Elmar, dem Manager des St. Tuset Clubs, übernommen.