Ostberlin

Die Stassfurt-Fernsehtruhe

… Meine Mutter hatte einen Onkel in Berlin-Adlershof, den wir ab und an besuchten. Der arbeitete bei der Post und sein ganzer Stolz war eine Stereotruhe mit dem absolut coolen Namen Stassfurt. Onkel Willi war Sportfan. Er liebte es, in Trainingshose (vor Spielbeginn zog er sich extra um!) auf dem Sofa zu liegen und sich die Spiele der Zonenliga (Chemie Halle gegen Lok Stendal und ähnliche Knaller … ) anzuschauen. Und fachmännisch zu kommentieren. Sein beschränkter Fußballverstand lässt sich schon anhand der Tatsache ermessen, dass er den Zonenspieler Peter Ducke und unseren Kaiser Franz miteinander verglich. Er machte gern Urlaub am Plattensee in Ungarn, den er – weltgewandt, wie er nun mal war – Balaton nannte. Dort trank er mit ungarischen Fans Bier. Und die kannten nur zwei ‚deutsche’ Spieler: Ducke und den Kaiser! Behauptete Onkel Willi jedenfalls. Es fuhren auch viele Wessies, darunter ein paar Bekannte, dorthin (oder nach Varnas Goldstrand): zum Ostlerinnen ficken!

 

Onkel Willis Lieblingsverein!

Er und seine Frau (Tante Lucy) hatten eine Tochter namens Ramona. Sie sah nicht besonders stark aus und war etwas jünger als ich. Und litt unter den Nachstellungen ihres Vaters. Weil der Vater mal ‚studiert’ hatte (wahrscheinlich Marxismus-Leninismus), galt sie nicht als ‚Arbeiterkind‘. Daher musste sie 

Klassenbewusstsein beweisen, indem sie bei der Reichsbahn freiwillig (!) Waggons schrubbte. Und am Samstag nicht selten zum Altpapier-Subbotnik ausrücken. An ihrer Seite lernte ich mit wechselnden Begleitern aus dem Goldenen Westen die Kulturszene des Ostens kennen.