Werewolves of Ceylon

Ya hear him howlin’ around your kitchen door, Ya better not let him in Little old lady got mutilated late last night!

1985 machte ich mich mit meiner 15-jährigen Tochter auf den langen Weg von Trincomalee zurück nach Colombo. Der rot-silberne Public Bus Marke Leyland oder Tata fuhr morgens dort ab und erreichte das Ziel an der Westküste nach Einbruch der Dunkelheit. Grund dafür war – abgesehen von der schlechten Straße – nicht zuletzt die Tatsache, dass er im wahrsten Sinne des Wortes an jeder Milchkanne stoppte. Gar nicht weit von Trincomalee, in der Nähe von Kinniyar, nahm der Busfahrer stets Hunderte von irdenen Joghurtbehältern an Bord, die er offenbar mit Gewinn am Zielort verhökerte. Und genau dort stieg ein etwa 50-jähriger dunkelhäutiger und ziemlich finster blickender Mann ein, der eine Behaarung aufwies, die meinen Vater unvermeidlich zu dem Vergleich mit Esau aus der Bibel veranlasst hätte. Und dieser Kerl besaß den prächtigsten Ohrenbart, der mir je untergekommen war. Daniela, die offenbar zum ersten Mal mit so einer extremen Gesichtsbehaarung konfrontiert wurde, flüsterte mir angstvoll zu: „Guck mal, das ist ein Werwolf! Lass uns aussteigen, ich habe solche Angst!“.

Nun ist es keine besonders gute Idee, ziemlich zu Anfang der langen Reise irgendwo in der Walachei wegen eines vermeintlichen Werwolfes auszusteigen. Es sei denn, man wartet gern stundenlang auf den nächsten Bus und bevorzugt es, während einer mehr als zehnstündigen Busfahrt zu stehen. Ich versuchte sie zu beruhigen, indem ich ihr sagte, dass Werwölfe sich doch erst nachts verwandelten. Der Mann würde sicher nicht weit fahren und irgendwann aussteigen, bevor es Nacht wurde. Der Werwolf hatte einen Stehplatz nicht weit von unserem Luxussitz und inzwischen mitbekommen was lief: Er fixierte meine Tochter zuerst befremdet, später ärgerlich mit seinen schwarzen Augen, was sie noch weiter verängstigte. Die Sonne stieg höher und höher, wir erreichten Kantalai und dann Sigiriya. Bei jedem Stopp stieg er aus und sie hoffte inständig, dass wir ihn jetzt endlich los seien.

Doch er kam immer wieder rein und nahm den angestammten Stehplatz ein. Dambulla und Kurunegala lagen bereits hinter uns, als es langsam dunkel wurde – er blieb und das junge Ding wurde zunehmend nervöser. Auch die singhalesische Coverversion von Vader Abrahams Hit Das Lied der Schlümpfe, offenbar das Lieblingslied des Busfahrers, vermochte sie nicht mehr zu beruhigen. Nicht mehr lange und er würde sein verborgenes Gürtelschloss drehen. Sich in eine reißende Bestie verwandeln, alle Buspassagiere anfallen, ihnen die Kehle aufreißen und das Blut trinken – oder Schlimmeres! Das erste Opfer wäre natürlich meine junge Begleiterin mit ihrem zarten weißen Hals, der für einen Werwolf eine Versuchung darstellte, der er nicht widerstehen konnte. Und in Polgahawela hörte man schließlich ein lautes plumpsendes Geräusch: Der Stein, der ihr vom Herzen gefallen war, als der endlich ausstieg.