Ostfriesentee

TEE !!!

Buttertee - der letzte Versuch!

Wie das Wilhelmshavener Heimatlexikon berichtet, ist T. seit über 300 Jahren das Nationalgetränk der Ostfriesen und natürlich auch der Friesen an sich. 1890 konsumierte die Handvoll Küstenbewohner bereits ein Viertel des gesamtdeutschen Verbrauchs. Der Trend setzte sich auch in der Neuzeit fort: 1965 wurden in der BRD pro Kopf 125 Gramm jährlich getrunken; in Ostfriesland hingegen viereinhalb Kilogramm, d. h. mehr als in England. Bereits die Kinder übten das Teetrinken, spätestens mit dem Eintritt in die Schule war T. Grundnahrungsmittel. Trotz der Warnung, dass ‚Tee trinken ‘ne schlappe Nase gibt‘. Freilich war es mit T. allein nicht getan: Unverzichtbar waren Kluntjes (Kandis) und Sahne. Wenn die Zuckerbrocken beim Übergießen mit dem heißen T. leise knackten und der Rahm wolkig aufstieg, stimmte die Mischung. Während T. bis in die 70er-Jahre außerhalb Ostfrieslands kaum bekannt war, entwickelte er sich später zum Kultgetränk.

Plötzlich wollten uns selbst die Berliner Kaffeetanten weismachen, wie man denn nun richtig T. trinke. Und was für tolle Sorten es in den Teestuben alles gab: Vanilletee, Zimttee, einmal ganz abgesehen von Tee Mu und ähnlichen Spinnereien. Manche Experten schreckten nicht mal vor dem berüchtigten Buttertee der Tibeter zurück und tranken die bittere Brühe (die ein wenig wie verdorbene Rindsbouillon schmeckte) mit Kennermiene, dazu las man dann Passagen aus dem Tibetanischen Totenbuch (Bardo Thödol). Jeder führte rätselhafte Abkürzungen wie BOP (broken orange pekoe) oder FGOP und Ähnliches im Munde. Zum Glück legte sich die Spinnerei bald wieder, sodass man auch außerhalb Ostfrieslands in Ruhe seinen T. trinken konnte, ohne dass aufdringliche selbst ernannte Experten einem die vermeintlichen Fehler aufs Butterbrot schmierten: „Hey, Alter, der Tee zieht schon viel zu lange, da entwickelt sich doch wahnsinnig viel Gerbsäure …“

Eilhard Mitscherlich, der Erfinder des Teebesens

Teebesen: Leider wird der Teegenuss durch diverse widrige Umstände erschwert, deren unangenehmster sicherlich die Teeblätter in der Tasse sind. Die Klippen des Teegenusses haben seit Jahrhunderten den friesischen Erfindergeist beflügelt. So befasste sich bereits Eilhard Mitscherlich (geboren 1794 in Neuende, gest. 1862 in Schöneberg), berühmtester Sohn der Stadt W’haven, mit dem Problem, wie man verhindern könne, dass die Teeblätter zusammen mit dem Tee aus der Kanne in die Tasse gerieten. Der junge Mitscherlich verzweifelte fast an dieser Aufgabe, bis ihm die geniale Eingebung kam, die Blätter mittels eines kleinen Drahtbesens, der entfernte Ähnlichkeit mit dem Besen des Schornsteinfegers hatte, beim Austritt aus der Tülle abzufangen. Der T. erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit, wenn er auch nicht verhindern konnte, dass der Tee mit fortwährendem Aufenthalt in der Kanne (die Gerbsäure …) immer bitterer wurde. Die Lösung dieses Problem konnte Mitscherlich nicht mehr in Angriff nehmen, da er mit der Begründung der theoretischen Chemie befasst war – schade!

Ein Teebesen
Ein Tee-Ei

Tee-Ei: Das T. versetzte dem Teebesen fast den Todesstoß! Das silberfarbene, etwa hühnereigroße Gebilde bestand aus zwei Halbeiern, die mittels eines Schraubverschlusses fest miteinander verbunden werden konnten. Am oberen Ende des T.s war ein Kettchen befestigt, das in einem Häkchen auslief. Dieses wurde an der Öffnung der Kanne eingehängt und damit verhindert, dass das T. in den Tiefen der Teekanne verschwand. Die Hausfrau schraubte nun das T. auf und gab die gewohnte Teemenge hinein. Irgendwie genial, dachten viele Teetrinker, aber dann kam der Haken. Das heiße Wasser konnte die Teeblätter in ihrem Gefängnis nicht in der gewohnten Weise umschmeicheln, der Tee konnte nicht wie gewohnt ziehen – und wurde nix! Und so griffen dann viele doch wieder zum Teebesen … Ich persönlich bevorzuge seit langer Zeit den Teestrumpf!

Tee-Tropfenfänger: Teeblätter in der Tasse waren beileibe nicht das einzige Problem der Teetrinker: Viele Hausfrauen waren völlig entnervt durch den auch anderweitig (‚Da hilft kein Schütteln und kein Klopfen …‘) berühmten ‚letzten Tropfen‘. Immer blieb nach dem Einschenken einer zurück, der dann an der Tülle hinablief und nach kurzer Zeit eine unschöne braune Spur hinterließ. Da, wie jeder Friese weiß, die Teekanne niemals abgewaschen, sondern nur heiß ausgespült werden darf, war diesem Problem auf herkömmliche Weise nicht beizukommen. Aber die klugen Küstenbewohner wussten sich auch hier Rat: Ein kleiner Schaumgummizylinder wurde mittels einer Haltevorrichtung am Ende der Tülle befestigt, das Ganze wurde noch zusätzlich mit einem Gummiband gesichert, das über den Deckel der Teekanne verlaufend an deren Henkel fixiert war. Das hatte darüber hinaus den Vorteil, dass der Deckel nicht herunterfallen konnte. Der T. T. wurde später vervollkommnet, indem das ordinäre Gummiband durch ein schönes, mit Silberfäden durchflochtenes ersetzt wurde, des Weiteren entsinne ich mich daran, dass es mit weiteren Verzierungen versehen wurde, so z. B. mit Plastikschmetterlingen.

Tee-Tropfenfänger
Ein Teewägelchen

Teewagen: Das auch zärtlich ‚Teewägelchen‘ genannte Gefährt gehörte zu jenen ‚praktischen Dingen‘, auf die keine Hausfrau verzichten konnte. Das Problem bestand darin, dass der Tee in der Küche gekocht wurde, jedoch nicht selten im Wohnzimmer (der Stube) getrunken wurde. Nachdem die Hausfrauen jahrzehntelang das heiße Getränk auf einem Tablett transportierten, kam ein findiger Kopf auf die scheinbar nahe liegende Lösung. Wie praktisch wäre es doch, wenn die Hausfrau den Tee nicht mehr zu tragen bräuchte, sondern ihn mit Hilfe eines kleinen Wagens mühelos befördern könne. Das daraus resultierende Gefährt war einem Puppenkinderwagen nicht unähnlich. Hohe Räder trugen ein Tischchen, dessen Rahmen oft aus hoch poliertem Messing und dessen Abstellfläche aus Glas bestand. Manche T. besaßen sogar zwei davon, wodurch sich die Transportkapazität glatt verdoppelte. Leider hatten die Erfinder des T.s zwei wichtige Dinge außer Acht gelassen: In Altbauwohnungen gab es unglücklicherweise etliche Türschwellen, die für den hochbeinigen T. kaum überwindbare Hindernisse darstellten. In unserer Wohnung waren zwischen der Küche und der Stube gleich zwei davon im Weg. Während jedoch z. B. ein Puppenkinderwagen problemlos angekippt werden konnte, um die Schwelle zu überwinden, war das beim T. aus nahe liegenden Gründen nicht möglich: Dann wäre ja das Geschirr ins Rutschen gekommen! So mussten oft die Kinder einspringen und helfen, den T. vorsichtig über die Schwelle zu heben – selbst das ging nicht immer ohne Schaden ab! „Da kannst du doch gleich ein Tablett nehmen!“, murrte eines Tages der Filius. Jedoch ließ sich die Mutter (zumindest vorerst) nicht beirren: Was im Buckingham-Palast möglich war, musste auch in W’haven gehen, befand sie. In Neubauten entfiel das Türschwellenproblem.

 

Ein weiterer Nachteil des T.s jedoch blieb auch hier: Das Gefährt war so niedrig, dass die Hausfrau es nur in gebückter Haltung schieben konnte. Mit dem Aufkommen der Frauenemanzipation wurde das zunehmend als Erniedrigung empfunden, und damit war es um den T. geschehen. Selbst die Erfindung des zusammenklappbaren T.s konnte den Niedergang nicht mehr aufhalten: Nachdem er noch eine Zeit lang als stationäre Blumenbank bzw. Zeitungsablage gedient hatte, wurde er irgendwann diskret entsorgt. Nur bei der Deutschen Bundesbahn hat sich eine Variante des T.s bis heute behaupten können:

Nach wie vor quält sich der Angestellte der Mitropa in dieser entwürdigenden Haltung durch die engen Gänge der Personenwagen, um völlig überteuerten Kaffee, trockene Kekse usw. an die Fahrgäste zu verhökern. Um der Entwürdigung des Menschen die Krone aufzusetzen, müssen die Minibar-Verkäufer ihr Kommen auch noch durch eine mitgeführte Fahrradklingel verkünden. Darüber hinaus: Wer jemals auf dem Weg zur Zugtoilette hinter einem Servierwagen herschleichen musste, wird seine endgültige Abschaffung lieber heute als morgen befürworten.