Dummdeutsch

Der Niedergang der Kenntnisse der Muttersprache in den Schulen ist seit langem bekannt. Mein Vater besuchte nur die achtklassige Volksschule, aber er schrieb weitgehend fehlerfrei. Es ist anscheinend heute nicht mehr so wichtig, wie man schreibt. Mein Problem ist jedoch wie folgt: Wenn ich ein Schreiben von jemandem erhalte, in dem es von Fehlern nur so wimmelt, dann denke ich – vermutlich völlig zu Unrecht – dass es sich um einen Idioten handelt. Oder zumindest um einen Legastheniker. Und ich nehme an, dass ich damit nicht allein stehe. Immerhin kommt es den Sprachschlampen entgegen, dass im Zeitalter von E-Mail, Whatsapp, Messenger usw. ein allgemeiner Sittenverfall auf diesem Gebiet eingesetzt hat.

Im Deutschen gibt es zahlreiche Dialekte. Dazu Niederdeutsch und Hochdeutsch, d. h. das, was im Duden steht. Im Übrigen die Sprache der Braunschweiger Gegend, wo demnach das beste Deutsch gesprochen  wird. Zu den genannten Varianten hat sich seit einiger Zeit das Dummdeutsch gesellt. Es verdankt seinen Aufstieg den Gutmenschen, die der Ansicht sind, dass Leute diskriminiert werden, weil sie nicht vernünftig Deutsch können. Sei es bei der Stellensuche oder wo auch immer. Dabei kann es sich ebenso um deutsche Muttersprachler wie um Ausländer handeln. Deren Lösungsansatz ist ebenso radikal wie verblüffend. Statt diesen Leuten Deutsch beizubringen, sollen sich diejenigen, die gut Deutsch sprechen, an jene anpassen, die das nicht tun. So finden Rap-Songs von Migranten, die nur gebrochen Deutsch können, auch bei solchen Jugendlichen großen Anklang, die aufs Gymnasium gehen. Wobei das ja heute auch nicht mehr das ist, was es einmal war. Mit anderen Worten: Die Klügeren sollen sich an die Dummen anpassen. Da gibt es die sog. ‚Einfache Sprache‘ – die soll es auch Leuten, die nicht einmal Grundkenntnisse der Rechtschreibung und Grammatik haben, ermöglichen, sich mitzuteilen, ohne sich zu blamieren.

Und irgendwann sprechen wir alle mal ‚Einfache Sprache‘. Und das ist ja erst der Anfang! Wie wäre es mit ‚Einfacher Mathematik‘? Oder ‚Einfacher Physik‘?

Noch schlimmer sind für mich die Leute, die unsere Sprache im Namen der Gleichberechtigung verhunzen. Das sind Leute, die plötzlich mitten im Wort groß schreiben – KollegInnen. Da kommt es dann manchmal zu so skurrilen Formen wie ‚MitgliederInnen‘. Obwohl das Mitglied ja ein Neutrum ist. Aber das Wort reizt ja eine Feministin schon durch seine bloße Existenz. Mit Glied! Oder dieses neuartige ‚gendern‘ – man soll geschlechtsneutrale Bezeichnungen verwenden, statt eindeutige. Alles im Namen der Gerechtigkeit. Genau so schlimm sind Verbrechen an der Sprache im Namen der ‚Political Correctness‘. Ich vermag nicht nachzuvollziehen, warum der Begriff ‚vertikal herausgeforderte Mensch‘ besser sein soll als Kleinwüchsiger. Oder ‚mental herausgeforderter Mensch‘ besser als Geistesschwacher. Und dann noch diese ganzen neuartigen Bezeichnungen für Menschen, die keine weiße Hautfarbe haben. Was hatten wir da nicht schon alles! Man weiß ja heute nicht mehr, wie man denn so einen Menschen nennen soll, ohne ihm auf dem Schlips zu treten. Farbiger, Schwarz-Afrikaner, Afro-Amerikaner, Schwarzer? Und wie nenne ich dann einen dunkelhäutigen Inder? Der sich ja von einem dunkelhäutigen Afrikaner genau so unterscheidet wie von einem Weißen. Schwarz-Inder? Oder darf man die Hautfarbe gar nicht mehr erwähnen? Das deutsche Wort Kindergarten hat sogar Eingang ins Englischen gefunden! Heute heißt es – in Deutschland! – offenbar Kindertagesstätte, kurz KiTa. Was soll das? Oder das schöne Wort Azubi: Es könnte ja sein, dass man junge Leute diskriminiert, indem man durch die Verwendung des Wortes Lehrling andeutet, dass die vielleicht noch nicht alles wissen, sondern noch etwas lernen müssen. Die Beispiele sind Legion. Wo das endet, weiß kein Mensch. Oder?