Republikflucht

 ‚Ich, ich glaub das zu träumen,

die Mauer im Rücken war kalt,

Schüsse reißen die Luft,

doch wir, wir küssen weiter,

als ob nichts geschieht…‘

Helden, David Bowie 

David Bowie lebte in den 70er-Jahren längere Zeit in Berlin, wo auch der Song Heroes/Helden entstand. Die Aufnahmen wurden im HANSA-Tonstudio 2 direkt an der Mauer gemacht. Dort beobachtete der Musiker ein Liebespaar, das sich regelmäßig direkt am ‚Friedenswall‘ unter einem Wachturm traf. Ein seltsamer Platz für eine Liebesaffäre, fand Bowie … Die Halbstadt zog neben dem Briten auch andere bekannte Musiker an, die ihre ungewöhnliche Atmosphäre als Inspiration nutzten. Die berühmtesten unter ihnen waren Iggy Pop und Lou Reed. Ersterer lebte zeitweilig mit Bowie zusammen in einer Wohnung, Letzterer jedoch nicht – trotz anderslautender Gerüchte! Einige Bekannte erzählten Geschichten von zufälligen Treffen und intensiven Gesprächen, die sie mit ihm führten. Erst danach ging ihnen immer ein Licht auf: „Hey, das war doch David Bowie!“. Ich habe ihn jedenfalls nie getroffen! War aber auch nicht sein Fan!

Die Mauer in der Wollankstraße von Osten betrachtet
Mitropa Michendorf - Hier ging's los!

Fast alle Zonis, die ich kannte, wollten abhauen aus diesem Superstaat. Doch die Berliner Mauer war ein schier unüberwindliches Hindernis und die Grenze nach Westdeutschland nicht minder. Die Flucht konnte im wahrsten Sinne des Wortes Kopf und Kragen kosten! Doch es gab immer Wege: Einmal nahm ich Brücke, den Kumpel meines Schwippcousins Peter, mit zu einem Besuch in Ostberlin. Der verliebte sich unsterblich in Ramonas Freundin Pudding. Nun muss man wissen, dass er nicht nur scheiße aussah, sondern auch blöd (er zündete seine Zigaretten mit Ost-Zehnern an und die Ossis staunten!) und rechtsradikal war. Die Frau war null an dem Idioten interessiert. Aber dass er sie aus der Zone rausholen wollte, fand sie klasse. Und ihr Verehrer war ein Mann der Tat: Es dauerte nicht lange, bis der Fluchtplan fertig war. Ramona hängte sich gleich mit rein. Und so verabredeten sie sich eines Tages an der Raststätte Michendorf. Die Mädels reisten mit der S-Bahn an und liefen über die Felder zum Treffpunkt. Dort setzten sie sich unauffällig an einen Tisch und bestellten das Tagesgericht. Brücke kam im Opel Rekord aus Westberlin. Er hatte seinen Spezi Werner mitgebracht. Der war zwar nett, aber offenbar wegen exzessiven Drogengenusses auch etwas von der Rolle. Er fuhr freiwillig mit und riskierte so ein paar Jahre in Bautzen oder sonst wo. Sie setzten sich zu den Mädels und aßen etwas. Dann stiegen sie zusammen in die Karre und fuhren ab – kein Schwein merkte etwas!

GÜSt Marienborn - und zittern ...

Kurz vor der Grenze klappten sie die Rückbank runter und die beiden Mädels krochen in den Kofferraum. Dann fuhren sie ins Sperrgebiet ein. Dort bemerkten die beiden Helden, dass ihre Reisepässe in der Jackentasche steckten. Und die Jacken lagen ausgerechnet da, wo die beiden Mädels sich verbargen. Sie behielten jedoch die Nerven, stoppten den Wagen (was streng verboten war) und holten die ‚Reisedokumente’ raus. An der Grenze wurden sie gleich gefragt, warum sie im Sperrgebiet angehalten hätten, das sei streng verboten. Mit ihrem unschuldigsten Gesicht erklärten sie, dass sie die Pässe im Kofferraum gelassen hätten. Damit es bei der Abfertigung schneller gehe, hätten sie die nach vorn geholt. Die Zonengrenzer hatten Verständnis und ließen es gut sein. Offenbar gab es damals an der Grenze noch nicht diese Infrarotgeräte, denn sie kamen unbeschadet in den Goldenen Westen. Die Freude war riesig und im Triumph ging es nach Wilhelmshaven. Als der edle Retter den Lohn seiner Heldentat kassieren wollte, machte Pudding nur widerwillig mit. Es dauerte nicht lange, bis es einen handfesten Krach gab und sie auszog. Der um den Lohn Gebrachte war so sauer, dass er ihr nicht nur auflauerte und Prügel androhte. Er drohte ihr sogar, sie zu kidnappen, zu knebeln und in den Kofferraum zu stecken. Um sie irgendwo an der Transitstrecke abzuladen. Ramona ließ sich mit dem drogensüchtigen Retter Nr. 2 ein, wurde bald darauf schwanger und heiratete ihn. Um den Gatten aus dem heimischen Drogensumpf rauszubekommen, zog die kleine Familie aufs Land. Irgendwo in der Nähe von Peine. Doch es war zu spät: Der gute Werner kam nicht von seiner Heroinsucht los und setzte sich irgendwann den goldenen Schuss! Die trauernde Witwe zog es zurück ins heimische Berlin und da lebt sie wahrscheinlich bis heute.

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